Genre: Roman
Taschenbuch: 320 Seiten
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungstermin: März 2012
ISBN: 978-3-462-04394-5
…"Sie ging mit ihnen nach unten auf die Straße und versank bis zur
Taille in Wolken. Über ihnen glitzerte die Nacht. Der Mond war voll und
der Himmel klar wie Eis. Doch auf dem Boden dampfte ein dichter weißer
Nebel, Ströme und Wolken aus Nebel, die aus der regengetränkten Erde
aufstiegen. Sie wateten durch sie hindurch, sahen zu, wie der Nebel um
die Herrenhäuser kroch, die Türmchen und Schieferschindeln verhüllte. So
einen Nebel hatte es noch nie gegeben, nicht zu ihren Lebzeiten.Sie
nannten ihn Schaum und Suppe des Abends; die Hölle hatte einen Sprung
bekommen, Rauch quoll daraus hervor, sie nannten ihn Rasierschaum und
Baiser. Sie tasteten sich durch den Nebel, stolperten über die
Bordsteinkante und gingen die Treppe zur presbyterianischen Kirche hoch,
wo die Luft klar war und sie sich setzten, um zuzuschauen, wie der
Nebel an den unteren Stufen leckte. Der Kirchturm leuchtete in den
Himmel wie ein märchenhafter goldseidener Arm.
„Wir versinken im Meer!“, sagte Allen. „Wir sind in Germelshausen. Das ist die Gischt des Himmels!“
„Das ist kalte Luft, die auf eine wärmere Oberfläche trifft“, sagte Toby.
„Spielverderber.“ ..."
In
Frühlingsnächten passiert so manches, zumal wenn sie mystisch sind.
Die Natur bricht auf in einen neuen Zyklus, der sich zwar jährlich
wiederholt,aber doch jedes Mal anders ist. Junge Menschen brechen auf,
um sich ihren zukünftigen Lebensweg zu suchen.
So auch die 24 jährige
Allen. Eigentlich ist ihr größter Wunsch, aus der tiefsten
amerikanischen Provinz nach New York zu gehen und Schriftstellerin zu
werden. Mangels finanzieller Absicherung und mit Hilfe von Beziehungen
mütterlicherseits, erhält sie trotz noch nicht abgeschlossenem Studium
eine Stelle als Lehrerin an einem College. Sie ist dort der jüngste Prof
und gerade deshalb sehr beliebt bei ihren Schülern.
Selbst steht sie
noch nicht so recht im Leben, weiß nicht, was sie erwarten soll und
lässt zunächst einmal die Vernunft ihren Lebensweg bestimmen.
Gefühlsmäßig jedoch zieht es sie in die Nähe zweier Studenten, Toby und
George, mit denen sie bald ihre Abende diskutierend und lachend
verbringt. Eigentlich ein Studentenleben, dem sie noch nicht so recht
entwachsen ist.
All das erlebt Allen in der kurzen Zeit des Frühlings – dessen Tage gemächlich und unspektakulär, die Nächte jedoch voller Freude und Leben sind …
Jetta
Carletons zweiter, lange verschollen geglaubter Roman ist ein Kleinod,
obwohl nicht ganz klar ist, inwieweit der Text nach dessen Auffindung
von anderer Hand vervollständigt wurde. Der einfache, flüssige, immer
treffende Sprachstil des Romans trägt neben den bezaubernden
Schilderungen der Frühlingsnächte sehr stimmig zu einer unglaublich
leichten Atmosphäre bei.
Aber Vorsicht: dies ist kein Liebesroman,
obwohl eine gewisse Romantik häufig zu verspüren ist und eine kurze
Romanze der Höhepunkt von Allens Zeit als Prof darstellt, der zum
Scheideweg für ihr weiteres Leben wird. Das korrekte Verhalten innerhalb
der amerikanischen Gesellschaft wird genauso authentisch geschildert,
wie die Lebenssituation der Frauen in dieser Zeit. Allens Verhalten wird
von mancher heutigen Leserin als naiv betrachtet werden – ist aber in
Wirklichkeit nur eine tatsächliche Unschuld oder vielleicht auch das
Unvermögen selbst schlecht von anderen zu denken.
Die
vermeintliche Oberflächlichkeit der Geschichte, das Fehlen
außergewöhnlicher Ereignisse, einer außergewöhnlichen Geschichte, was
von einigen LeserInnen moniert wird, empfand ich gänzlich anders. Denn
hier geht es nicht darum, sich abzusetzen von dem 1941 üblichen
Durchschnittsleben einer Mittzwanzigern, sondern vielmehr um die
Schilderung ihrer Entwicklung mit allen Zweifeln und Nebenwegen hin zu
ihrem tatsächlichen Lebensweg.
Entgegen aller Vernunft.
Zur persönlichen Freiheit.
Wer ruhig und doch wunderbar erzählte Geschichten amerikanischer
Autoren mag, kommt an dieser Entdeckung nicht vorbei. Allerdings sollte
man etwas Empathie besitzen, um sich in die Gefühlswelt junger Menschen
in den 1940er Jahren versetzen zu können; dann wird man das Buch als
Bereicherung und keineswegs als langweilig empfinden.
Note: 2,3
•
Humor:2,5
•
Anspruch: 2,5
•
Spannung: /
•
Erotik: /
•
Piratenfaktor: 2,0
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