Genre: Gegenwartsliteratur
Sternliegen nennt man es bei Herdentieren, die ihre
Ruhephasen im Kreis liegend verbringen - so schützen sie die Herde,
können die Umgebung in alle Richtungen beobachten und bei Gefahr
rechtzeitig die Flucht ergreifen. Im menschlichen Kampf ist es eine Verteidigungshaltung
in meist aussichtsloser Lage und bei übermächtigem Gegner, Rettung ist
hier nur von außen möglich und ohne diese stehen Resignation,
Mutlosigkeit und Aufgabe bevor.
Beides - Schutz und Aufmerksamkeit, Kampf und Verteidigung - liegt dem
zugrunde, was die Geschwister Ella und Thomas in der DDR der 50er Jahre
tun: sie versuchen ihr Leben Rücken an Rücken zu
meistern. Sie wachsen ohne Nähe und Liebe im Künstlerhaushalt ihrer
Mutter Käthe auf, die sich als jüdisch-stämmige und deshalb in der
Nazizeit von der Kunstakademie ausgeschlossene und vertriebene
Bildhauerin voll und ganz dem Sozialismus verschrieben hat.
Zur Familie
gehören eigentlich noch die Zwillinge, die aber noch zu klein, um sich
wie Ella und Thomas während der längeren Abwesenheiten Käthes selbst zu
versorgen, im Heim oder bei wechselnden Pflegefamilien aufwachsen. Ella
und Thomas verpflegen sich selbst, putzen das Haus, räumen auf, kochen
die Lieblingssuppe der Mutter in freudiger Erwartung deren Wiederkehr
und in der Hoffnung, ein wenig Aufmerksamkeit oder gar Liebe von ihr
geschenkt zu bekommen. Doch sie haben vergessen, dass ihnen Käthe
aufgetragen hatte, die leeren Flaschen auf der Treppe wegzubringen ...