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Donnerstag, 2. Januar 2014

Joey Goebel: Vincent

Joey Goebel: Vincent
Genre: Gegenwartsliteratur
Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
Verlag: Diogenes
Erscheinungsdatum: April 2007
ISBN: 978-3-257-23647-7

In die Jahre gekommen und todkrank, blickt Medienmogul Foster Lipowitz zurück auf sein Leben, und stellt dabei fest, dass sein Imperium aus Verlagen, Kino-, TV- und Musikfirmen in den vergangenen Jahrzehnten wahrlich nichts als immer seichter werdende, gewalt- und pornografiegeschwängerte Wegwerfunterhaltung produziert hat, die tatsächlich nichts mehr mit vermeintlich richtiger Kunst gemein hat; Kunst, geschaffen für die Ewigkeit, statt bloßer Bedürfnisbefriedung eines anspruchslosen, müden und verdummten Publikums. Lipowitz selbst hat zu dieser Verdummung der Massen beigetragen, dessen ist er sich nun, am Abend seines Lebens, bewusst - und so will er keineswegs das Zeitliche segnen.

Mit unternehmerischer Akribie fasst der gealterte Magnat einen komplexen Plan, wie es gelingen soll, der Hochkultur ihren Weg in die modernen Medien der Unterhaltungsindustrie zu ebnen. Eine zweite Renaissance in Form von Kinofilmen, Popsongs und Fernsehserien soll herbeigeführt werden - durch eine neue, wahrhaft künstlerische Elite von Autoren. Um dies zu bewerkstelligen, setzt die zwielichtige, von Lipowitz gegründete, "New Renaissance" geheimniskrämerisch nicht nur auf eine umfassende Frühförderung hochbegabter Autorentalente, die im Rahmen einer Academy mitten im Nirgendwo - bereits von Kindesalter an - in den entscheidenden Disziplinen zu Songwritern und Drehbuchautoren ausgebildet werden, sondern vertritt außerdem den Ansatz, dass wahre und große Kunst nur von einem leidenden Künstler hervorgebracht werden kann. Und tatsächlich, wirft man einen Blick auf die Geschichte, so scheint es, als hätten viele der größten Künstler eine gewisse Portion dieser großen Traurigkeit gemein. Weltschmerz, unerwiderte Liebe, ein Leben in Armut, Sucht, Depression, Krankheit oder eine schwere und komplex-fördernde Kindheit scheinen die perfekten Zutaten für zeitlose Meisterwerke zu sein. Man denke nur an Chopin, Mozart, Van Gogh, Poe, Melville oder Wilde - die Liste könnte noch endlos weitergehen.

Freitag, 16. August 2013

Jetta Carleton - In Frühlingsnächten


Genre: Roman
Taschenbuch:  320 Seiten
Erscheinungstermin: März 2012
ISBN: 978-3-462-04394-5

…"Sie ging mit ihnen nach unten auf die Straße und versank bis zur Taille in Wolken. Über ihnen glitzerte die Nacht. Der Mond war voll und der Himmel klar wie Eis. Doch auf dem Boden dampfte ein dichter weißer Nebel, Ströme und Wolken aus Nebel, die aus der regengetränkten Erde aufstiegen. Sie wateten durch sie hindurch, sahen zu, wie der Nebel um die Herrenhäuser kroch, die Türmchen und Schieferschindeln verhüllte. So einen Nebel hatte es noch nie gegeben, nicht zu ihren Lebzeiten.Sie nannten ihn Schaum und Suppe des Abends; die Hölle hatte einen Sprung bekommen, Rauch quoll daraus hervor, sie nannten ihn Rasierschaum und Baiser. Sie tasteten sich durch den Nebel, stolperten über die Bordsteinkante und gingen die Treppe zur presbyterianischen Kirche hoch, wo die Luft klar war und sie sich setzten, um zuzuschauen, wie der Nebel an den unteren Stufen leckte. Der Kirchturm leuchtete in den Himmel wie ein märchenhafter goldseidener Arm.

„Wir versinken im Meer!“, sagte Allen. „Wir sind in Germelshausen. Das ist die Gischt des Himmels!“

„Das ist kalte Luft, die auf eine wärmere Oberfläche trifft“, sagte Toby.

„Spielverderber.“ ..."

In Frühlingsnächten passiert so manches, zumal wenn sie mystisch sind. Die Natur bricht auf in einen neuen Zyklus, der sich zwar jährlich wiederholt,aber doch jedes Mal anders ist. Junge Menschen brechen auf, um sich ihren zukünftigen Lebensweg zu suchen. 

So auch die 24 jährige Allen. Eigentlich ist ihr größter Wunsch, aus der tiefsten amerikanischen Provinz nach New York zu gehen und Schriftstellerin zu werden. Mangels finanzieller Absicherung und mit Hilfe von Beziehungen mütterlicherseits, erhält sie trotz noch nicht abgeschlossenem Studium eine Stelle als Lehrerin an einem College. Sie ist dort der jüngste Prof und gerade deshalb sehr beliebt bei ihren Schülern. 

Selbst steht sie noch nicht so recht im Leben, weiß nicht, was sie erwarten soll und lässt zunächst einmal die Vernunft ihren Lebensweg bestimmen. Gefühlsmäßig jedoch zieht es sie in die Nähe zweier Studenten, Toby und George, mit denen sie bald ihre Abende diskutierend und lachend verbringt. Eigentlich ein Studentenleben, dem sie noch nicht so recht entwachsen ist.

Mittwoch, 8. August 2012

Jonathan Franzen - Freiheit

Genre: Gegenwartsliteratur
Gebundene Ausgabe: 736 Seiten 
Verlag: Rowohlt
Erscheinungsdatum: 6. Auflage 8. September 2010
ISBN: 978-3498021290

Im Grunde vermag ich nicht, diesen epochalen Familienroman, in ein paar kurzen Sätzen zusammen zu fassen, geschweige denn zu rezensieren. Das Buch ist so gewaltig, mit so vielen Spektren gesegnet, dass mir gewissermaßen die Spucke weg bleibt.

Die ganze Geschichte dreht sich im wesentlichen nur um Patty und Walter, die ein liebevolles und aufopferndes Ehepaar sind, aber dennoch gelegentlich etwas bedauernswert erscheinen. Walter ist von dem Zeitpunkt an, als er Patty das erste mal sah, prompt in sie verliebt. Wohingegen Patty sich über Jahre hinweg den Kopf zermartert, ob den Walter der richtige für ihr Leben ist. Später kommen dann noch Pattys und Walters Kinder hinzu, Joey und Jessica. Die Kinder spielen natürlich eine tragende Rolle im Buch.
Dann wäre da noch Richard, der beste Freund von Walter, der ohne böse Absicht mit daran beteiligt ist, die Familie etwas zu zerrütten.

An und für sich sind mir stellenweise langatmige Texte zuwider. Doch in dem empathischen Kontext des Buches, entwickeln die jeweiligen Passagen eine gewisse Plastizität. Da Franzen die vielen Charaktere bis ins kleinste Detail beschreibt, und dies auf eine Art die keine Langeweile zulässt. Dabei unterstützend ist, dass er nicht chronologisch schreibt, auch mal in der Zeit dermaßen weit zurückspringt, um eine Person anhand ihrer Kindheit besser zu erklären und bekannt zu machen. Auf diese Weise erfährt man auch etwas über die Geschichte und noch mehr über das Wesen des Menschen an sich. Dieses hin und her springen zwischen den Personen und/oder den überlegten Situationen, ist noch ein Garant für jenen literarischen Hochgenuss.
Mir ist unerklärlich wie scharfsinnig Franzen hier die Emotionen, die Gefühle und die Psyche des Menschen aufklamüsert und irgendwie mit ein leicht dahinschwebenden Melancholie wiedergibt und dazu noch alles mit gesellschaftskritischem Inhalt füllt. Das alles mit einer Eloquenz, wie ich sie bisher nur von Autoren wie David Foster Wallace, Jonathan Lethem oder Johann Safran Foer, kenne. Kein Wunder also, dass der Familienroman schon vor der Veröffentlichung für Furore und gespanntes warten, sorgte.


Dieser epische und dramatische Lesestoff ist wirklich ein Meisterwerk der Schreibkunst.

Wenn ich dem Buch ein Musiktitel zuordnen sollte, würde ich “Primavera” von Ludovico Einaudi wählen. Das Auf und Ab des Liedes, spiegelt die Gemüter und Zustände des Buches wieder.


Note: 1,5
  • Humor: /
  • Anspruch: 1
  • Spannung: 2
  • Erotik: 2
  • Piratenfaktor: 1 

Freitag, 15. Juni 2012

Daniel Wallace - Die Nacht der Wassermelonen


Daniel Wallace - Die Nacht der Wassermelonen
Gebundene Ausgabe: 246 Seiten 
Verlag: Eichborn
Erscheinungsdatum: 20. Februar 2004
ISBN: 978-3821809496


Ashland, Alabama – die personifizierte Südstaaten-Kleinstadt: heiß, engstirnig und geheimnisvoll. Was früher die Hauptstadt der Wassermelonen war, ist heute nichts weiter als eine Erinnerung; die einst weltbekannten Melonenfelder sind verdorrt, Stadt und Menschen stehen still und die Tradition, die Identität Ashlands, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Doch das war nicht immer so. Vor 19 Jahren war alles noch, wie es immer war und immer bleiben sollte: Die Menschen waren glücklich, die Sommer fantastisch und die Bürger der Stadt feierten jedes Jahr ihr Wassermelonenfest. Ashland war nicht irgendeine Stadt, sie hatte eine einzigartige Kultur, einen einzigartigen Mythos, Ashland war etwas Besonderes: die Welthauptstadt der Wassermelonen. Zumindest war sie es, bis eine Fremde in die Stadt kam, die alles verändern sollte. Als Lucy Rider in einem luftigen Sommerkleid und mit heruntergelassenen Fenstern in der Stadt hielt, um sich um ein paar der Immobilien ihres Vaters zu kümmern, war dies der Anfang vom Ende. Sie ließ sich für einige Zeit in der Stadt nieder und hatte keine Eile, nach Hause zurückzukehren. Lucy Rider war von einer Schönheit, wie sie in Ashland nicht anzutreffen war, sie trug Kleider, die es in Ashland nicht zu kaufen gab und sie tat Dinge, die man in Ashland nicht tat. Selbst wenn es ihr gelang, über die Doppelmoral und die Engstirnigkeit der Einwohner Ashlands hinwegzusehen, so war sie doch außerstande den archaischen und unmenschlichen Ritus zu akzeptieren, der den Kern des Wassermelonenfestes darstellte: die Krönung des Wassermelonenkönigs. Mit einer List erreichte Lucy zwar ihr Ziel, doch wurde sie von nun an von der gesamten Stadt geschnitten und steuerte unweigerlich auf die Tragödie zu: den Tag der Geburt ihres Sohnes, der gleichzeitig auch der Tag ihres eigenen Todes war.

Daniel Wallace erzählt uns die Geschichte des 18-jährigen Thomas Rider, welche sich nicht nur auf die Suche nach seiner Vergangenheit macht, sondern auch versucht, seine eigene Identität unterwegs zu finden. Aufgewachsen bei seinem Großvater, der eine gute Geschichte stets der Wahrheit vorzog, und einer Frau, die er Anna nennt, weiß er nicht viel über sich oder seine Eltern – nur, dass seine Mutter einst für einige Zeit in Ashland gelebt hat, er dort geboren und sie dort gestorben ist. Also macht er sich auf den Weg in die ehemalige Welthauptstadt der Wassermelonen. Auf der Suche nach der Wahrheit wird er – entgegen aller Erwartungen – mit offenen Armen empfangen. Denn die Einwohner Ashlands glauben an die Erfüllung eines Schicksals – lang lebe der König.

Wallace gelingt mit seiner clever-aufgebauten Generationengeschichte nicht nur ein feinfühliges Porträt einer vom Unglück geschundenen Familie, sondern auch ein Blick in die kindliche und verletzliche Seele der Kleinstädte, denen wir irgendwie alle entstammen. Hinter der Geschichte steckt viel mehr als eine provinzielle Südstaatenstory; es geht um den Umgang mit Verlust, den Umgang mit der Wahrheit und den Umgang mit allem, was passiert ist. „Die Wahrheit ist wie ein Fisch […]. Sie flutscht einem ständig durch die Finger. Deshalb strengen wir uns erst gar nicht groß an, und amüsieren uns über die Idioten, die’s versuchen und sich dabei mächtig naß spritzen.“ (S. 15.). Wallace erzählt – wie auch in seinem berühmten und von Tim Burton verfilmten Debut: „Big Fish“ – mit viel Witz und Magie und schafft so etwas, was den Wenigsten gelingt: Er macht aus einer ernsten, realen und tragischen Geschichte voller Zweifel und Konflikte das, was Kleinstadtbürger wohl als eine Legende bezeichnen würden.


Note: 2,4
  • Humor: 2
  • Anspruch: 2
  • Spannung: 3
  • Erotik: 3
  • Piratenfaktor: 2