Genre: Gegenwartsliteratur
Taschenbuch: 333 Seiten
Verlag: Suhrkamp Verlag
Erscheinungstermin: August 2006
ISBN: 978-3-518-41827-7
ISBN: 978-3-518-41827-7
Chuzpe - ein aus dem hebräischen Wort für Frechheit,
Dreistigkeit, Unverfrorenheit entlehntes jiddisches Wort; etwas das man
hat oder nicht hat, nicht lernen kann; viel mehr als die tatsächliche
Bedeutung.
Chuzpe ist für mich auch etwas zu wagen, von dem andere
glauben, das es nicht funktionieren kann und dieses "etwas" klug und
vorausschauend zu planen.
Genau das ist es was Ruths Vater Edek - seines Zeichens
Ausschwitz-Überlebender - im Gegenteil zu seiner Tochter, hat: Chuzpe.
Aber beginnen wir am Anfang der Geschichte: Ruth lebt seit Jahren in New
York und ist mittlerweile eine typische Einwohnerin der Stadt. Sie
achtet strengstens darauf, was sie isst, um nicht zuzunehmen. Sie hat
und pflegt ihre kleinen Eigenheiten und Neurosen. Ist geplagt von
ständiger Sorge. Sorge um den 87 jährigen Vater, der nach dem Tod seiner
geliebten Frau von Australien zur Tochter nach N. Y. übersiedelt.
Vital
wie er ist, versucht er, seiner Tochter in ihrer Firma unter die Arme
zu greifen, was Ruth selbst aber eher stört: Er bestellt Unmengen von
Büromaterial und schafft unnütze Geräte an. Ruth ist genervt und wünscht
sich für Edek eine Aufgabe.
Diese zeichnet sich ab, als Ruth und Edek auf ihrer gemeinsamen Reise
nach Polen auf Zofia und Walentyna treffen. Zofia ist offensichtlich an
Edek interessiert und er scheint auch nicht abgeneigt zu sein. Ruth ist
froh, als sie wieder zurück in den U.S.A. und fern von Zofia sind. Was
sie nicht ahnt ist, dass Edek, Zofia und Walentyna weiterhin Kontakt
haben und die beiden Frauen alsbald mit gewonnen Greencards die Reise
nach N.Y. antreten werden.
Die Idee, die Lily Brett in ihrem Roman Chuzpe
verarbeitet, hat mir sehr gut gefallen. Ruth lernt von ihrem Vater mit
der Zeit, nicht immer nur Probleme zu sehen oder sich Sorgen zu machen.
Der 87-Jährige nimmt sein Leben noch einmal in die Hand, als hätte er
noch alle Zeit der Welt.
Und genau so sollte es wohl auch sein. Einfach
mal einen Traum verwirklichen und ihn zu einem Ziel machen, das man mit
ein wenig Chuzpe erreichen kann.
Die Umsetzung der Idee hingegen hat mich nicht überzeugt. Lily Brett
schreibt prinzipiell flüssig, die Situationen hingegen sind häufig
ähnlich oder gleich angesiedelt. Oft geht es um Telefongespräche, die
Ruth mit ihrem Vater führt, die so plötzlich auf den Plan treten, wie
sie auch wieder enden. Die Handlung wirkt ein abgehakt und bemüht
zusammengepuzzelt.
Die Figur der Ruth soll überspitzt das New Yorker Großstadtleben
nachzeichnen.
Ich fand das auf Dauer eher ein wenig dröge und hätte mir
gewünscht, dass Ruth etwas mehr Farbe bekommt. Witzig gemeinte Dialoge
und Situationen verkommen zu Albernheiten, weil sie ausgelutscht werden
wie zu lange gekauter Kaugummi und hinterlassen einen faden Geschmack.
Zu viele Nebendarsteller treten für jeweils zu kurze Zeit auf die Bühne
und verschwinden ebenso unmotiviert wieder, wie sie gekommen waren.
Dennoch blitzt es ab und an anheimelnd warm und atmosphärisch auf, was
dem Buch einen gewissen Charme verleiht.
Verfilmt könnte das sehr gut
funktionieren. Die Charaktere sind fast durchweg liebenswert und könnten
in einem Film zu mehr Persönlichkeit kommen. Im Wiener Theater an der Josefstadt ist das Buch im November 2012 übrigens als Theaterstück uraufgeführt worden. Aber als Buch ist die Idee
von "Klops braucht der Mensch" (der Originaltitel lautet übrigens sehr sprechend You Gotta Have Balls) leider irgendwo stecken geblieben.
Bei der Ausführung hätte ich Lily Brett eines gewünscht: eine große Portion Chuzpe
Note: 3
- Humor:3
- Anspruch:3
- Spannung: 3
- Erotik: -
- Piratenfaktor: 3
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