Dienstag, 27. November 2012

Marco Balzano - Damals, am Meer

Marco Balzano - Damals, am Meer
Genre: Gegenwartsliteratur
Gebunden: 224 Seiten
Erscheinungstermin:Juni 2011
ISBN: 978-3-88897-726-8

Drei Männer, eine Reise zum selben Ort und doch jeweils an einen anderen. Ans Meer fahren sie, nicht um Urlaub zu machen, sondern um ein letztes Mal in die Heimat zurückzukommen, die dortige Wohnung zu verkaufen, den Ort der unbeschwerten Ferien wiederzusehen.

Drei Männer - drei Gründe.
Großvater Leonardo, in Apulien geboren, will noch einmal in die Heimat, seine alten Freunde sehen - die die noch übrig sind - und Abschied nehmen. Sein Sohn Ricardo begleitet ihn, um den letzten Anker in der gemeinsamen Heimat zu lichten. Der Enkel Nicola fährt mit, um vielleicht noch zu verhindern, dass dies geschieht und um sich wieder in die Tage der Ferien am Meer, die Tage der Freiheit, zu träumen.

Nicolas Familie stammt aus Barletta und ist, als sein Vater noch sehr jung war, in den Norden gezogen. Nach Mailand. Weg vom Meer - in die Großstadt. Zumindest für Großmutter Anna war die Wohnung am Meer immer die Hoffnung, einst zurückzukehren. Doch die Jahre vergehen, die Wohnung wird dem Verfall preisgegeben und keines der vier Kinder Leonardos und Annas kümmert sich darum. Die Wurzeln, die einst so stark waren, sind gekappt und die Erlebnisse und Erinnerungen nicht stark genug, um die zweite Generation wieder in ihre Heimat zu bringen. Mailand wird die neue Heimat. Für die Enkelgeneration kein größeres Problem, verstehen sie den barlettischen Dialekt - die Muttersprache Leonardos - zwar noch, sprechen diesen aber selbst nicht mehr und sind schon aufgrund dessen für die in Barletta Gebliebenen sofort als Fremde erkennbar. Barletta ist nicht länger Heimat, sondern Urlaubsort.


Sonntag, 25. November 2012

Dr. Seuss - Der Lorax

Genre: Kinderbuch
Gebundene Ausgabe: 73 Seiten
Erscheinungstermin: 08. Juni 2012
ISBN:  978-3888977596

Fragt man sich, als Erwachsener, was ein Kinderbuch denn eigentlich im besten Falle enthalten sollte, möchte ich wetten, dass das Gros der Eltern antworten würde, man erhoffe sich eine liebevolle, unterhaltsame, sicherlich auch spannende, vor allem jedoch harmlose Geschichte.

Theodor Seuss Geisel, alias Dr. Seuss, dessen Kinderbücher hierzulande eher durch ihre Kinoadaptionen, wie "Der Grinch", "Horton hört ein Hu!" oder eben "Der Lorax" einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangten, hat in den U.S.A. längst Kult- bzw. Legendenstatus, zählt er doch zu den meistgelesenen Kinderbuchautoren der englischsprachigen Welt. 

Dr. Seuss verfolgte, was die vermeintliche Beiläufigkeit von Kindergeschichten betrifft, offensichtlich eine ganz andere Strategie - außerdem schien dem Autor, der noch dazu ein begnadeter Cartoonist war, bereits 1971 klar gewesen zu sein, dass der wahrscheinlich klügste Weg in eine bessere Zukunft direkt über die Menschen führt, die eben diese Zukunft bevölkern werden, unsere Kinder.

Samstag, 24. November 2012

Carlos Ruiz Zafón - Der Gefangene des Himmels

Genre: Gegenwartsliteratur
Gebundene Ausgabe: 403 Seiten
Verlag: Fischer Verlage
Erscheinungstermin: 25. Oktober 2012
ISBN: 978-3-10-095402-2


Er hat es also gewagt: Für den Fortsetzungsroman seines Zyklus um den "Friedhof der vergessenen Bücher" hat sich Bestsellergarant Carlos Ruiz Zafón an der direkten Weitererzählung seines Smashhits "Der Schatten des Windes" versucht. Zugegeben, als diese Information durchsickerte, bekam ich ein ziemlich flaues Gefühl in der Magengegend, zählt der Roman doch zu meinen absoluten Lieblingen, und Fortsetzungen sind nun wirklich nicht immer ein Segen - das lehrt sowohl die Literatur- wie auch die Filmgeschichte. "Der Schatten des Windes", seiner Zeit der Auftakt zu Ruiz Zafóns düsterer Saga um die katalonische Hauptstadt Barcelona im letzten Jahrhundert, die Wirren, die Leiden und die Geheimnisse einer vom Krieg zerrütteten Metropole, war nicht ohne Grund ein absoluter Welterfolg. Die Gefahr nun, mit "Der Gefangene des Himmels", am eigenen Denkmal zu sägen, ist dementsprechend groß. Wie dem auch sei, nach "Der Schatten des Windes" und "Das Spiel des Engels" macht sich Ruiz Zafón also auf, seine, auf vier Teile angelegte Geschichte von Dunkelheit, Liebe und Gewalt weiterzuerzählen. 

Freitag, 23. November 2012

Paul Murray - Skippy stirbt!

Genre: Gegenwartsliteratur
Broschur im Schuber: 3 Bände, 782 Seiten
Verlag: Antje Kunstmann Verlag
Erscheinungstermin:10. Januar 2011
ISBN: 978-3-88897-700-8

"... Vielleicht bestehen die Dinge ja nicht aus Strings, sondern aus Geschichten, einer Unzahl winziger, vibrierender Geschichten, einst waren sie alle Teil einer großen, gigantischen Supergeschichte, bloß dass die in eine Zillion verschiedener Teile zerbrochen ist, deswegen ergibt keine Geschichte für sich einen Sinn, und deswegen musst du in deinem Leben versuchen, sie wieder zusammenzuweben, meine Geschichte in deine Geschichte, unsere Geschichten in die all der anderen Menschen, die wir kennen, bis du was hast, was für Gott oder sonst wen wie ein Buchstabe aussieht, oder sogar wie ein ganzes Wort ..." (Ghostland, Seite 773)

Genau das ist es, was Paul Murray in Skippy stirbt! macht: er webt Geschichten zu einer einzigen Supergeschichte. Ob diese für irgendwen einen Buchstaben oder Wort ergibt, das kommt darauf an, wie weit man sich als Leser darauf einlässt. Ich habe mich darauf eingelassen - zugegeben nach anfänglichen Zweifeln - und für mich ergab das Ganze mehr als nur einen Buchstaben.
Bevölkert werden die drei Bände - Hopeland, Heartland, Ghostland - von den unterschiedlichsten Personen. Hier findet sich alles. Vom ehemaligen Seabrook Rugbychampion, der durch einen Unfall seiner Karriere beraubt, jetzt in seiner alten Schule Lehrer und Schwimmtrainer ist, bis zu Ruprecht van Doren, Skippys  Zimmergenossen und übergewichtigen Freund, Mathematikass, genial, nach fremdem Leben im All suchend. Eins haben alle gemeinsam: Sprachlosigkeit und die damit einhergehende Unfähigkeit zur tiefer gehenden Kommunikation. Von pubertierenden Jungs kann man eine solche Fähigkeit nicht verlangen, sie sind zu sehr mit sich selbst und den Veränderungen in ihrem Umfeld beschäftigt. Noch dazu, wenn sie damit durch die offensichtlich komplett überforderten, nur vermeintlich erwachsenen Menschen um sie herum alleine gelassen werden. Ohne Ausnahme hat hier jeder sein Päckchen zu tragen.

Donnerstag, 22. November 2012

Stephen R. Donaldson - Der Schritt in den Konflikt: Die wahre Geschichte


Stephen R. Donaldson - Der Schritt in den Konflikt: Die wahre Geschichte
Genre: Science Fiction
Taschenbuch: 210 Seiten
Verlag: Heyne
Erscheinungsdatum: 1996
ISBN: 978-3453109384

 Wagner im All

Was haben Richard Wagner und Angus Thermopyle gemeinsam? Der eine ist laut Stephen Donaldson das "Geläufige", beim anderen handelt es sich um das "Exotische". Nur beides zusammen ergibt die für einen guten Roman unverzichtbare Mischung.

Für Donaldson ist Angus das Geläufige und lange lag sein Roman "Die wahre Geschichte" unveröffentlicht in des Autors Tresor, so sehr - ja - schämte sich Donaldson um seine Arbeit. Erst mit der Komponente des Exotischen konnte er seine Arbeit beenden und dies ist Richards Wagner Ring der Nibelungen. Der geneigte Leser möchte sich bitte nicht jetzt mit Grausen abwenden, sich an alle Wagnerschen Schandtaten und antisemitistischen Verknüpfungen erinnernd. So wird ihm eines der wichtigsten SF-Zyklen entgehen die in jüngerer Zeit geschrieben wurden. Und Donaldson bedient sich auch "nur" der eigentlichen Geschichte der Saga und nicht der pompösen und lauten Musik.

Allein pompös ist sein Amnion-Zyklus schon geworden, ganze 3500 Seiten im Deutschen sind es geworden.
Sein erster Roman "The Gap into Conflict" im Original, bringt es auf schlappe 214 Seiten und ist die Ouvertüre zu den folgenden Bänden. Doch schon hier ist die Kunst von Donaldson zu spüren, seine Art und Weise mikroscharf die Gedanken, Gefühle jedes Einzelnen schmerzlich dem Leser näherzubringen.
Aber auch seine famose Weise, die schriftstellerischen Physikmuskeln spielen zu lassen und uns realistisch ins Weltall zu entführen.

Schmerzlich sind die erlebten Gefühle unserer drei Helden Angus Thermpyle, Morn Hyland und Nick Succorso insofern, dass alle drei höchst bedenklich agieren und vollkommen unsympathisch wirken.
Nicht alleine die Namen geraten exotisch, Donaldson hat einen Hang zu extremen Charakteren die sich hier niederschlägt. Er bringt uns ihre Gründe, so und nicht anders zu reagieren, in diesem kosmischen Kammerspiel detailliert nahe. Das macht ihre Handlungen logisch, aber trotzdem unvorhersehbar und schafft eine innere kurz vor dem Zerreißen stehende Spannung, gerade weil auch die Akteure in einer höchst kritischen Situation zueinander stehen. Teilweise entsteht ein Sog der einen nicht mehr loslässt.

Die ersten paar Seiten erzählt Donaldson uns die Geschichte, wie sie jeder erlebt hat und wie sie auch in der Zeitung gestanden hätte. Angus Thermopyle, seines Zeichens alleinhandelnder und lebender Pirat, erscheint in der Bar der Raumstation mit einer wunderschönen Frau, Morn Hyland, die dem hässlichen Angus, widernatürlich, anscheinend vollständig zu Willen ist. Nachdem beide Nick Succorso treffen kommt es zu verschiedenen Ereignissen, die dazu führen dass Morn bei Nick ist und Angus im Gefängnis.
So weit zusammengerafft die Story, Donaldson beschreibt was die Leute glauben und dann erst fängt er an, uns die "wahre Geschichte" zu erzählen und läßt dabei einzig Nicks Part aus, beschränkt sich hauptsächlich auf Angus und Morn. Wie Morn in Gefangenschaft gerät, Angus sie als seine sexuelle Sklavin benutzt und beide in eine starke Abhängigkeit zueinander geraten, ist ein zentrales Thema.

Dienstag, 6. November 2012

Wolfgang Herrndorf - Tschick


Wolfgang Herrndorf - Tschick
Genre: Gegenwartsliteratur
Hardcover: 256 Seiten
Verlag: Rowohlt Berlin
Erscheinungstermin: 17. September 2010
ISBN: 978-3-87134-710-8


Anfänglich schwer in dieses Buch reingekommen, weiß ich zum Schluss nicht wirklich wie ich es einordnen, was ich davon halten soll. Ein Roadmovie, in dem zwei Vierzehnjährige mit einem geklauten, kurzgeschlossenen Lada durch die Gegend fahren, dabei eintdecken, wie schön Freiheit und Freundschaft sind und wie schnell diese eine für sie so wichtige und wunderbare Woche vorrüber ist.

Maik Klingenberg lebt mit seinen Eltern in Berlin, der Vater verkauft Immobilien, die Mutter trinkt. Er selbst ist so sehr daran gewöhnt, dass es ihm nicht wirklich etwas auszumachen scheint. Selbst empfindet er sich vor allem als langweilig. Oberflächlich gesehen - die Familie wohnt im Eigenheim mit Pool - gehört er zu den "Gewinnern" - auch wenn er sich selbst keineswegs dafür hält..

Zu dieser Gruppe gehört Andrej Tschichatschow, genannt Tschick, nun schon gar nicht. Er wohnt in einem der Hochhäuser in Hellersdorf, erscheint des öfteren in der Schule offensichtlich stark alkoholisiert und ist ein ebensolcher Aussenseiter wie Maik.

Und genau das scheint es zu sein, was Tschick erkennt. Warum sonst sollte er mit dem geklauten Lada gerade bei Maik vor der Tür auftauchen und ihn auffordern, mit ihm auf Tour zu gehen. Maiks Eltern sind sowieso nicht zugegen - der Vater ist mit der "Assistentin" bei einem "Geschäftstermin", die Mutter auf der "Schönheitsfarm", sprich auf Entzug.
Und damit beginnt eine Tour, die allerhand Überraschungen und Erfahrungen mit sich bringt.

Sonntag, 4. November 2012

David Mitchell - Der Wolkenatlas

David Mitchell - Der Wolkenatlas
Genre: Gegenwartsliteratur
Broschiert: 672 Seiten
Verlag: Rowohlt
Erscheinungstermin: 01. November 2007
ISBN: 978-3-499-24036-2

Was lesen Sie am liebsten? Seefahrergeschichten? Historische Romane? Krimis? Humorvolle Gegenwartsliteratur? Düstere Dystopie? Oder sogar Fantasy, die darüber hinausgeht? Was wäre, wenn es ein Buch gäbe, das den Versuch unternehmen würde, all diese - uns zu Genüge bekannten - Genres des Literaturbetriebs miteinander zu verweben?

David Mitchell unternimmt genau diesen Versuch, indem er sechs scheinbare Einzelschicksale über einen Zeitraum von mehreren hundert Jahren miteinander verknüpft: Das Tagebuch eines Schiffsreisenden, die Briefe eines jungen, verlorenen Komponisten an einen Freund, die Geschichte einer Journalistin, verfasst im Stile eines Kriminalromans, die amüsante Odyssee eines in die Jahre gekommenen Verlegers, der auf der Flucht, unabsichtlich in die Fänge einer Vorhölle von Altenheim gerät, das Verhörprotokoll eines rebellierenden Klonmädchens und eine Lagerfeuererzählung aus einer martialischen, postapokalyptischen Welt. Das klingt verrückt und zusammenhangslos? Das ist es keineswegs. Eine Verbindung besteht immer. Sechs Geschichten: jede anders geschrieben, jede auf ihre Weise mitreißend, jede miteinander verbunden.