Genre:Jugendbuch
Es gibt Geschichten, die uns ratlos zurücklassen und bei denen es uns schwer fällt, die Eindrücke in Worte zu fassen. Da tut es gut, sich auszutauschen und gemeinsam zu rezensieren. Und so haben wir – Claudia Fanara und Brigitte von Freyberg - es wieder getan. Und das war wirklich nicht „Nichts“.
"Nichts bedeutet irgendetwas, das weiss ich seit Langem. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun. Das habe ich gerade herausgefunden."
Mit dieser Erkenntnis klettert Pierre Anthon am ersten Schultag nach den Ferien auf den Pflaumenbaum und drangsaliert seine Klassenkameraden bei jedem Vorbeigehen mit eben dieser Aussage. Er wirft mit Pflaumen und Worten. Am Anfang halten alle es für einen vorübergehenden Scherz. Aber das ist es nicht. Pierre Anthon ist es ernst, todernst. Was wenn er recht hat? Unruhe macht sich unter den Kindern breit. Und so schmieden sie einen Plan. Es wäre doch gelacht, könnten sie Pierre Anthon nicht davon überzeugen, dass er irrt. Denn er muss sich doch irren; oder nicht? Jeder hat doch etwas, was ihm wichtig ist, richtig wichtig ist, was so richtig Bedeutung hat. Wenn sie diese Dinge zu einem Berg auftürmen und diesen Berg Pierre Anthon zeigen, wäre das doch der Beweis, dass er unrecht hat, dass das Leben Sinn macht.
"Nichts bedeutet irgendetwas, das weiss ich seit Langem. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun. Das habe ich gerade herausgefunden."
Zunächst wird um Bedeutung gebeten: die Jugendlichen gehen im Dorf umher und sammeln ein, was anderen Menschen bedeutsam erscheint. Aber bald ist das nicht mehr genug, denn es ist ja nichts, was für sie selbst Bedeutung hat, nichts was sie selbst schätzen, lieben, vermissen werden, wenn es auf dem Berg liegt.
Aber Bedeutung war möglich, das war sicher:
"... Wir waren gerade in die siebte Klasse gekommen, und wir fühlten uns alle so modern und kannten uns im Leben und in der Welt aus, und wir wussten natürlich längst, dass sich alles mehr darum drehte, wie etwas aussah, als wie es tatsächlich war. Unter allen Umständen war am wichtigsten, dass aus einem etwas wurde, das nach etwas aussah. Zwar hatten wir von diesem Etwas nur ungenaue Vorstellungen, aber es ging jedenfalls nicht darum, in einem Pflaumenbaum zu sitzen und Pflaumen auf die Straße zu werfen. ..."
Und damit beginnt die Suche nach Bedeutung bei jedem selbst.
Zunächst sind es freiwillig gegebene Habseligkeiten, als aber klar wird, dass zwar Stücke auf dem Berg landen, die vermisst werden werden, es aber nicht die absoluten Lieblingsstücke sind, bestimmen die anderen, was abgegeben werden muss.
Die Erzählerin der Geschichte muss als erste geben, was ihr sehr viel bedeutet: Ihre neuen grünen Sandalen. Das tut vielleicht weh! Aber wer gegeben hat, darf bestimmen, wer als nächster dran ist und was er dem Berg aus Bedeutung hinzufügen muss. Und das wird richtig hart. Letztendlich muss jeder bezahlen und schnell bekommt das Ganze einen ausgesprochen niederträchtigen Beigeschmack. Oder wie soll man es benennen, wenn der begnadete Gitarrespieler den Zeigefinger und das süße Mädel ihre Jungfräulichkeit opfern muss? Die Erwachsenen sind blind für das, was sich bei den Kindern abspielt; der Berg aus Bedeutung wächst unaufhörlich bis zum bitteren Ende und mit ihm die Angst, dass Pierre Anthon doch recht haben könnte.
"Nichts bedeutet irgendetwas, das weiss ich seit Langem. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun. Das habe ich gerade herausgefunden."
Mit „Nichts was im Leben wichtig ist“ zeigt Janne Teller auf, wohin es führen kann, wenn Kinder alleingelassen werden mit ihren Sinn-Fragen. Ob in Buch oder Hörbuchform, die Geschichte hat etwas so ungeheuer Voyeuristisches, dass man kaum hinsehen bzw- hören kann. Sie entsetzt und fesselt gleichermassen und sie hallt nach. Bisher hat noch niemand ein Buch so eindringlich gelesen wie Laura Maire. Sie trägt die Geschichte mit soviel Wut und Schmerz vor, dass sie nur auf mehrere Portionen verteilt anzuhören war.
Das Buch liese sich schnell weg lesen, wäre es nicht so offensichtlich grausam und bedürfte es deshalb nicht wohl gesetzter Lesepausen. Und sind wir mal ehrlich: Kinder können wirklich grausam sein, das hat wohl jeder von uns selbst einmal in irgendeiner Art und Weise zu spüren bekommen.
Alleine hätte keine von uns eine Rezension über dieses Nichts schreiben wollen. Und so haben wir es wieder gemeinsam getan. Kein Heidenspass dieses Mal, aber ein wohltuender Abschluss.
Mit Bedeutung ist nicht zu spassen. Mit dieser Geschichte auch nicht. Ob wir sie empfehlen können, wissen wir nicht. Wir selbst würden sie allerdings nicht missen wollen.
Note: 1,33
- Humor: -
- Anspruch: 1,0
- Spannung: 2,0
- Erotik: -
- Piratenfaktor: 1,0
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