Montag, 4. Februar 2013

Paulo Coelho - Der Alchimist

Genre: Gegenwartsliteratur
Taschenbuch: 176 Seiten
Verlag: Diogenes
Erscheinungsdatum: März 2008
ISBN: 978-3-257-23727-6

Ich habe es gewagt! Nach Jahren, in denen ich Coelhos Weltbesteller "Der Alchimist" schändlich ignorierte und in den Buchhandlungen meines Vertrauens links liegen ließ, war es nun doch an der Zeit, mich mit diesem vermeintlichen Klassiker der Gegenwartsliteratur auseinanderzusetzen. Immerhin wusste ich auch nicht einmal so genau, was es war, dass mich bisher davon abgehalten hat, Coelho zu lesen. Irgendetwas muss das brasilianische Literatur-Schwergewicht ja an sich haben, zählt er doch immerhin zu den meistgelesenen Autoren unseres zauberhaften Planeten.

Ich ging also mit entsprechend hohen Erwartungen an die Geschichte um den jungen andalusischen Schafshirten Santiago heran, der zweimal vom selben, aufwühlenden Traum heimgesucht wird: Ein kleines Kind zeigt ihm den Weg zu einem Schatz, am Fuße der Pyramiden von Gizeh, Tausende Kilometer von den vertrauten Weidelanden seiner Schafe entfernt. Als sich wenig später ein mysteriöser Fremder zeigt, der sich als König von Salem vorstellt und erstaunlicherweise so ziemlich alles über das Leben des jungen Santiago zu wissen scheint, und diesem anschließend auch noch rät, seine Herde zu verkaufen und sich tatsächlich auf die Suche nach dem Schatz am Fuße der Pyramiden aufzumachen, begibt sich der junge Hirte wahrhaftig in die Hände des Schicksals.

Was sich nun liest wie der Plot einer alttestamentarischen Finde-Deinen-Weg-Bibel-Story, ist in Wahrheit viel, viel, viel, viel weniger als das - denn jeder Vergleich mit diesem kindlich-naiven Sammelsurium an Binsenweisheiten, Schicksalsgefasel und sonstigem spiritualistischem Müll würde der altehrwürdigen (wenn auch eingestaubten) Bibel sicherlich Unrecht tun. Dies ist wahrlich der Stoff, aus dem nervige Kalendersprüche gemacht werden: Mystische Zeichendeutung, Weltenseele, vorbestimmte Lebenswege - hier bekommt wirklich jeder vermeintlich Ungläubige eine Gänsehaut. Und natürlich ist für den jungen Santiago auch der Weg das Ziel - was auch sonst? Ach so, der Stein der Weisen ist auch mit von der Partie.

Auch der viel gelobte Erzählstil dieses Religionsmärchens entzieht sich mir vollends. Versteht mich bitte nicht falsch, eine simple Erzählstruktur ist nicht zwangsläufig schlecht; was einem jedoch hier geboten wird, erinnert eher an die besserwisserischen und belehrenden Schreibversuche einer ambitionierten, esoterisch angehauchten Kindergärtnerin, deren Vorliebe für Bibelverse und arabische Märchen aus jeder Pore triefen.  

Coelhos lebensphilosophische Stützfeiler sind weder neu noch bahnbrechend, sondern lediglich zu Plattitüden verkommene Carpe-Diem-Glückskekszettelchen für pseudo-religiöse Gutmenschen. Und darüber lässt sich auch nicht hinwegsehen, schließlich wartet alle zwei Zeilen ein vermeintlicher Merksatz, der problemlos auch in jeden Xavier-Naidoo-Song passen würde.  

Das Einzige, das mich nun wirklich an "Der Alchimist" fasziniert, ist, dass es sich so reger Beliebtheit erfreut. Wahrscheinlich rührt das jedoch daher, dass es eine Menge Menschen gibt, die sich nichts sehnlicher zu wünschen scheinen, als das wir nicht bloß haarlose Affen wären, die planlos von Zufall zu Zufall schlitterten. Dieses tiefe Verlangen nach Sinngebung und Mystifizierung der eigenen Existenz scheint mir die alleinige Möglichkeit zu sein, dieses Buch zu mögen - oder überhaupt erträglich zu finden.  

Was hatte mich also bisher davon abgehalten, Coelho zu lesen? Vermutlich war es das Schicksal.



 Note: 5


  • Humor: /
  • Anspruch: 4
  • Spannung: 5
  • Erotik: /
  • Piratenfaktor: 5

1 Kommentar:

  1. "Dieses tiefe Verlangen nach Sinngebung und Mystifizierung der eigenen Existenz" - ist das zu verurteilen und nicht eher in der Natur des Menschen angelegt, was bedeutet, dass auch du nicht frei davon bist?

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