Samstag, 25. August 2012

David Foster Wallace - Das hier ist Wasser / This Is Water

David Foster Wallace - Das hier ist Wasser / This Is Water
Genre: Sachbuch, Rede
Gebundene Ausgabe: 158 Seiten 
Verlag: kiwi
Erscheinungsdatum: 14. Mai 2012
ISBN: 978-3-462-04418-8

Wenn ich versuche, mich an die Abschlussfeiern in meinem Leben zu erinnern, schießen mir einige Dinge in den Kopf: Alkohol, Mädchen in tief ausgeschnittenen Kleidern, Discofox mit meiner Mutter und das unangenehme Gefühl, glänzende Lederschuhe tragen zu müssen. Woran ich mich jedoch nie erinnere, ist ein einziges Wort der vielen ermüdenden Abschlussreden, deren Zweck es doch eigentlich war, uns Absolventen für das Leben zu rüsten und zu motivieren.

Ich für meinen Teil bin den Verantwortlichen des Kenyon Colleges also mehr als dankbar, dass sie mir Abhilfe verschafft haben, indem sie den Starautoren und Literatur-Professor David Foster Wallace dazu brachten, die Abschlussrede für den 2005'er Jahrgang ihres Colleges zu halten. Kurz gesagt: David Foster Wallace hielt nicht nur die Abschlussrede, die ich hätte hören sollen, sondern die, die wir alle hätten hören sollen.

"Das hier ist Wasser", hier in der zweisprachigen Version aus dem Hause Kiepenheuer & Witsch, ist keine großspurige Sammlung von Floskeln, schwammigen Allegorien, Binsenweisheiten oder obligatorischen Aufforderungen zur Selbstbeweihräucherung, sondern ein unterhaltsames, ehrliches und vor allem überaus kluges Plädoyer für Demut, Empathie und Besonnenheit. Humorvoll und aufrichtig bereitet uns Wallace auf das Schlimmste von dem vor, was uns erwartet: auf uns selbst; auf unseren Umgang mit der Welt und der grauen Routine des Alltags. Es geht um Möglichkeiten und Entscheidungen und darum, wie wir die Dinge sehen, die uns umgeben; wie wir uns sehen - in einer Welt, deren Mittelpunkt nicht wir allein sind.

Eine großartige Rede, die es schafft, den Augenblick zu überdauern, in welchem man sie hört oder liest, die einen begleitet und noch Wochen später zum Nachdenken anregt. Das ist, worauf es bei einer Abschlussrede ankommt.

Note: 1,3
  • Humor: 2
  • Anspruch: 1
  • Spannung: /
  • Erotik: /
  • Piratenfaktor: 1

Dienstag, 21. August 2012

Christian Kracht - Faserland

Genre: Gegenwartsliteratur
Gebundene Ausgabe: 158 Seiten 
Verlag: dtv
Erscheinungsdatum: 7. Auflage Juni 2002
ISBN: 978-3423129824


Der Trip beginnt auf der Insel Sylt und geht quer durch Deutschland, über Hamburg, Frankfurt usw. bis nach Zürich. Auf dieser ziel- und planlosen Reise trifft der Held immer wieder alte Freunde und erfährt deshalb, gedanklich, eine Rückschau auf sein Leben und auch sonst durchlebt er einige Höhen und noch intensivere Tiefen. Dabei wird die Hauptperson, im zunehmenden Verlauf der Geschichte, immer mehr physisch und psychisch ein Wrack, was wohl zum Teil auch am Schlafmangel liegt.

Krachts Faserland gilt als der Auftakt zur Popliteratur. Mir ist allerdings nicht ganz klar was Popliteratur auszeichnet. Einige Parallelen konnte ich zu Leif Randt entdecken, denn beide Autoren benutzen zum Beispiel gerne die Wörter irgendwie, ziemlich und eigentlich. Der Grund, weshalb das Buch Faserland heißt, konnte ich leider nicht wirklich aufdecken. Meine Überlegungen dazu, erscheinen mir eher oberflächlich.
Die Narration wird von einem namenlosen, nihilistischen Protagonisten wiedergegeben. Der Namenlose ist etwas sadistisch, redet nicht sehr viel, denkt aber um so mehr. Dabei immer auf eine pessimistische Art, er nörgelt in Gedanken ständig über seine Umgebung. Desweiteren hat er Schwierigkeiten anderen Personen zuzuhören, da er immer wieder durch Gerüche oder dergleichen abgelenkt wird und in diesem Moment, an sein bisheriges Leben denkt. Auf seiner Reise trifft die Hauptfigur stetig auf den widerlichen Hedonismus, der sich zu dieser Zeit in Deutschland entfaltet und immer noch allgegenwärtig ist. Der hedonistische Lebensstil der anderen, ist dem Held überaus unangenehm, und er versucht dem zu entfliehen. Doch gelingt es ihm nicht, im Gegenteil, mit jedem Kapitel nehmen die Wirren des (seines) Lebens zu, und er fragt sich ob es denn überhaupt noch einen Sinn gibt. Zumal er sowieso ziemlich planlos durch die Gegend treibt, vielmehr mitgerissen wird. Dabei fragt man sich, ob der Namenlose einfach nur in einer Adoleszenzphase feststeckt, eine Midlife-Krise durchlebt, oder schlicht unter einer Depression leidet. Andererseits hat er einen überaus scharfsinnigen und kritischen Blick auf die Gesellschaft, obgleich ihn diese Gedankengänge womöglich seelisch zerstören.

Jene acht Kapitel, auf 158 Seiten, machen richtig Spaß. Was auch am hervorragenden Schreibstil liegt, der zum Teil auf verschrobener Art romantische Nuancen annimmt. Dennoch begibt man sich mit dem Protagonisten in eine Art Ritalin verseuchten Mainstream. Oberflächlich ist das Buch recht witzig, doch eigentlich voller Hass, dabei nicht selten äußerst poetisch und schonungslos.
Wenn man mal einen anderen gesellschaftskritischen Blickwinkel auf Deutschland ersucht, sollte man Krachts Faserland lesen. Irgendwie lässt das Buch, eigentlich ziemlich viel Raum für Spekulationen, besonders das Ende kann in vielerlei Hinsicht interpretiert werden.
Bedingungslos wunderbare Literatur.


Wenn ich dem Buch ein Musiktitel zuordnen sollte, würde ich “All Live But The Ending” von Circlesquare wählen, und nicht nur wegen den Lyrics. Der Song bauscht sich, genauso wie der Roman, zu einem Crescendo auf und endet dabei in Stille.



Note: 1,75
  • Humor: /
  • Anspruch: 2
  • Spannung: 2
  • Erotik: 2
  • Piratenfaktor: 1

Mittwoch, 8. August 2012

Jonathan Franzen - Freiheit

Genre: Gegenwartsliteratur
Gebundene Ausgabe: 736 Seiten 
Verlag: Rowohlt
Erscheinungsdatum: 6. Auflage 8. September 2010
ISBN: 978-3498021290

Im Grunde vermag ich nicht, diesen epochalen Familienroman, in ein paar kurzen Sätzen zusammen zu fassen, geschweige denn zu rezensieren. Das Buch ist so gewaltig, mit so vielen Spektren gesegnet, dass mir gewissermaßen die Spucke weg bleibt.

Die ganze Geschichte dreht sich im wesentlichen nur um Patty und Walter, die ein liebevolles und aufopferndes Ehepaar sind, aber dennoch gelegentlich etwas bedauernswert erscheinen. Walter ist von dem Zeitpunkt an, als er Patty das erste mal sah, prompt in sie verliebt. Wohingegen Patty sich über Jahre hinweg den Kopf zermartert, ob den Walter der richtige für ihr Leben ist. Später kommen dann noch Pattys und Walters Kinder hinzu, Joey und Jessica. Die Kinder spielen natürlich eine tragende Rolle im Buch.
Dann wäre da noch Richard, der beste Freund von Walter, der ohne böse Absicht mit daran beteiligt ist, die Familie etwas zu zerrütten.

An und für sich sind mir stellenweise langatmige Texte zuwider. Doch in dem empathischen Kontext des Buches, entwickeln die jeweiligen Passagen eine gewisse Plastizität. Da Franzen die vielen Charaktere bis ins kleinste Detail beschreibt, und dies auf eine Art die keine Langeweile zulässt. Dabei unterstützend ist, dass er nicht chronologisch schreibt, auch mal in der Zeit dermaßen weit zurückspringt, um eine Person anhand ihrer Kindheit besser zu erklären und bekannt zu machen. Auf diese Weise erfährt man auch etwas über die Geschichte und noch mehr über das Wesen des Menschen an sich. Dieses hin und her springen zwischen den Personen und/oder den überlegten Situationen, ist noch ein Garant für jenen literarischen Hochgenuss.
Mir ist unerklärlich wie scharfsinnig Franzen hier die Emotionen, die Gefühle und die Psyche des Menschen aufklamüsert und irgendwie mit ein leicht dahinschwebenden Melancholie wiedergibt und dazu noch alles mit gesellschaftskritischem Inhalt füllt. Das alles mit einer Eloquenz, wie ich sie bisher nur von Autoren wie David Foster Wallace, Jonathan Lethem oder Johann Safran Foer, kenne. Kein Wunder also, dass der Familienroman schon vor der Veröffentlichung für Furore und gespanntes warten, sorgte.


Dieser epische und dramatische Lesestoff ist wirklich ein Meisterwerk der Schreibkunst.

Wenn ich dem Buch ein Musiktitel zuordnen sollte, würde ich “Primavera” von Ludovico Einaudi wählen. Das Auf und Ab des Liedes, spiegelt die Gemüter und Zustände des Buches wieder.


Note: 1,5
  • Humor: /
  • Anspruch: 1
  • Spannung: 2
  • Erotik: 2
  • Piratenfaktor: 1