Dienstag, 24. Juli 2012

Rezensenten gesucht!

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Sonntag, 15. Juli 2012

Carlos Ruiz Zafón - Der Schatten des Windes

Genre: Gegenwartsliteratur, Kriminalroman 
Taschenbuch: 562 Seiten 
Verlag: Suhrkamp/Insel
Erscheinungsdatum: 29. August 2005
ISBN: 978-3-518-45800-6

Daniel Sempere wächst als Sohn eines Antiquars im düsteren und tristen Barcelona der Franco-Ära auf, das von den Schatten der Vergangenheit und der Gegenwart beherrscht wird. Während die kleine Buchhandlung des Vaters kaum genügend abwirft, um die Beiden am Leben zu erhalten, verblassen langsam die Erinnerungen an Daniels Mutter, die der Cholera erlag, als er noch ein kleiner Junge war. Es ist ein karges Leben, doch beide arrangieren sich mit dem, was sie haben.

Eines frühen Morgens begeben sich Vater und Sohn auf einen Ausflug durch die noch dunkle Stadt. Es ist der Tag, an dem der zehnjährige Daniel in die Welt des "Friedhofs der vergessenen Bücher" eingeführt wird. Hinter diesem, zugegebenermaßen etwas plakativen Namen verbergen sich die labyrinthhaften Räumlichkeiten einer uralten Gesellschaft von Antiquaren, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Bücher zu bewahren, deren Fortbestand gefährdet ist. Es ist Ritus, dass jeder, der den Friedhof zum ersten Mal betritt, ein Buch aus den dunklen und geheimnisvollen Regalen auswählt, um es sein Leben lang zu schützen, bis es seinen Weg zurückfindet. Etwas unbeholfen streift Daniel durch die düstere Szenerie und entscheidet sich schließlich für "Der Schatten des Windes", den Roman eines gewissen Julián Carax.

Gefesselt und begeistert von "Der Schatten des Windes", versucht der Junge mehr über den Autoren in Erfahrung zu bringen, und muss doch schnell feststellen, dass dies alles andere als einfach ist. Der Autor ist verschwunden, und mit ihm die meisten seiner Bücher. Noch dazu häufen sich Gerüchte, das irgendjemand die letzten Exemplare von Carax-Romanen aufkauft, um sie zu vernichten.

Als Daniel eines Nachts am Fenster der spartanischen Wohnung über der Buchhandlung steht und in die Straßen seiner Heimatstadt hinausblickt, bemerkt er einen Mann auf der anderen Straßenseite, der rauchend, in geheimnisvolle Schatten gehüllt, auch ihn beobachtet. Die Szenerie erscheint dem Jungen merkwürdig vertraut, ist sie doch fast deckungsgleich mit einer der Passagen aus "Der Schatten des Windes".

Während Daniel älter wird, dringt immer mehr Vergangenheit ans Licht und die Grenzen zwischen dem Leben eines Daniel Sempere und dem eines Julián Carax scheinen allmählich immer mehr zu verschwimmen.

Mit der "Schatten des Windes" hat der spanische Bestseller-Gigant Carlos Ruiz Záfon seinerzeit nicht nur den Sprung von der Jugendliteratur in die ebenso mystische und düstere Welt der vermeintlichen Erwachsenen geschafft, sondern gleichsam den erfolgreichsten spanischsprachigen Roman nach "Don Quijote" geschrieben. Nun wissen wir, dass nicht jeder Kassenschlager solcherlei überdimensionierter Lob-Arien auch verdient (Liebe Grüße an Stephenie Meyer und E.L. James), doch hier ist dies mehr als nur gerechtfertig. Ein großartiges Buch voller Tragik, Romantik, Mystik und Spannung, dem es zusätzlich nie an erzählerischem Witz, sowie der nötigen Ernsthaftigkeit mangelt, denn neben der ohnehin schon packenden Handlung um den jungen Sempere nähert sich Ruiz Zafón einer fast vergessenen Epoche der jüngeren spanischen Geschichte an, deren Aufarbeitung nicht immer einfach ist. Aufrichtig und unprätentiös erzählt er von einer Ära des Terrors, des Verdrängens und der Unsicherheit, die nach dem Spanischen Bürgerkrieg und während der Diktatur Francos herrschte. 

"Der Schatten des Windes" ist der erste Roman, der als Quadrologie angelegten Saga um den "Friedhof der vergessenen Bücher" ("Das Spiel des Engels" (2008), "Der Gefangene des Himmels" (2012)), was dem Alleinstellungsmerkmal des Romans jedoch keinen Abbruch tut. Ruiz Zafón setzt in diesem Meisterwerk der Gegenwartsliteratur nicht nur seiner geliebten Heimatstadt Barcelona ein literarisches, wenn auch düsteres und verzaubertes Denkmal, sondern auch sich selbst. Ein fantastisches Buch, das nahezu alles kann: Es vermag Krankheiten zu heilen, Tote wieder zum Leben zu erwecken, aber vor allem; uns ein herausragendes Lesevergnügen zu bereiten.

Note: 1,4
  • Humor: 2
  • Anspruch: 1
  • Spannung: 1
  • Erotik: 2
  • Piratenfaktor: 1 
       

Dienstag, 10. Juli 2012

Robert Williams - Luke und Jon

Genre: Coming-of-Age, Gegenwartsliteratur
Taschenbuch: 192 Seiten 
Verlag: Berliner Taschenbuch Verlag
Erscheinungsdatum: 06. November 2010
ISBN: 978-3833307034

Luke Redridge ist dreizehn und lebt mit seinen Eltern ein normales und beschauliches Leben im grauen und regnerischen Vorstadt-England unserer Zeit. Sicher, Luke ist nicht unbedingt ein Siegertyp in der Schule, aber er ist ein talentierter Maler und eckt kaum an, was ja auch schon was wert ist, in der rauen Welt der Schulhöfe. Sein Vater ist Spielzeugmacher und seine Mutter eine liebevolle Idealistin mit Stimmungsschwankungen. Das Leben geht in geregelten Bahnen.

All das ändert sich jedoch abrubt, als Lukes Mutter, bei der inzwischen eine bipolare Störung diagnostiziert wurde, bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt. Tief getroffen ziehen sich Vater und Sohn in ihre eigene Welt zurück, jeder für sich. Nach kurzer Zeit häufen sich bereits die unbezahlten Rechnungen. Am finanziellen Abgrund angekommen, bleibt Lukes Vater nichts anderes übrig, als das Haus der Familie zu verkaufen und sich mit dem Wenigen, das ihnen noch bleibt, ein neues Leben aufzubauen, irgendwo anders, irgendwo, wo es billiger ist.

Und so landen die Beiden in Duerdale, einem nebligen Kaff in der englischen Provinz. Das wenige Geld reicht hier jedoch, zwischen schroffen Hügeln und Mooren, für ein verwahrlostes und einsames Haus auf einem Berg, nahe der Stadt. Träge und beinahe gleichgültig fügen sich die beiden in ihr Schicksal und das neue Leben, das sie nie wollten - immer noch ohnmächtig ob des Verlustes ihrer Mutter und Ehefrau. Luke zieht sich in seine Bilder zurück, deren Motive er in der kargen Umgebung des Hauses findet, Lukes Vater Gerald bestreitet mühsam den Lebensunterhalt der beiden, indem er Holzspielzeug in seiner Werkstatt anfertigt - seine ständigen Begleiter bleiben jedoch eine Flasche Whiskey und die geistige Abwesenheit eines Trauernden.

Das triste Leben der beiden Außenseiter wäre vermutlich ewig so weiter gelaufen, wenn nicht, aus dem Nichts, auf einmal ein dürrer und merkwürdig gekleideter Junge vor der Tür gestanden hätte, der nervös drauflos plappert. Jon, der zittrige Gast, entpuppt sich als Nachbarsjunge, dessen Schicksal dem von Vater und Sohn nicht so fremd ist. Luke und Jon werden zu Gefährten, und als die Sommerferien enden und die Schule beginnt, schweißt der Alltag aus Hänseleien und Ausgrenzungen die Freunde immer mehr zusammen. Und gemeinsam finden sogar alle drei Sonderlinge, auch durch die Hilfe eines riesigen Holzpferdes, mühsam ihren Weg zurück ins Leben.

Wie bei vielen seiner Zeitgenossen neigen die Menschen auch bei Robert Williams dazu, laut und apathisch "Salinger" zu brüllen, handelt seine Geschichte "Luke und Jon" doch von den Empfindungen eines Teenagers, ohne dabei etwas mit Vampiren zu tun zu haben. Anders als beim Genre-Epos "Der Fänger im Roggen" jedoch geht es hier nicht nur um das Erwachsenwerden in einer kalten und unverständlichen Welt, sondern vielmehr um den Umgang mit Verlust, Tod und einem Weg aus der Trauer. Was tun wir, wenn die Welt auf einmal und ganz plötzlich anhält, während sie sich für alle anderen weiter zu drehen scheint? Dieser Frage nähert sich Williams behutsam und klug in "Luke und Jon" an, ohne, dass er dabei pathetisch oder platt wird.

Überhaupt: Luke Redridge ist kein Holden Caulfield. Beim Lesen dieses herrlichen Buches musste ich mich vielmehr immer wieder daran erinnern, dass der Protagonist erst dreizehn ist, denn seine Gedanken wirken auf mich wie die, eines Erwachsenen: Sie sind nicht rebellisch und besonders impulsiv, sondern hilflos und aufrichtig ob der Tragik seiner und unserer Welt, die sich trotz allem immer weiter drehen muss.

Ein ruhiges, ein vorsichtiges und ungeheuer ehrliches Buch über Verlust, Zusammenhalt, Freundschaft und ja, über das Erwachsenwerden. Lesenswert!

Note: 2
  • Humor: /
  • Anspruch: 2
  • Spannung: 3
  • Erotik: /
  • Piratenfaktor: 1 

Dienstag, 3. Juli 2012

Haruki Murakami - Wilde Schafsjagd

Taschenbuch: 320 Seiten 
Verlag: btb (Random House)
Erscheinungsdatum: 04. September 2006
ISBN: 978-3442734740

Das Gefühl, das ich nach dem Auslesen dieses Romans hatte, kommt dem einer Ausnüchterung bei lebendigem Leibe ziemlich nahe. Nun meine ich dies bei Weitem nicht so negativ, wie man es durchaus auffassen könnte - was ich vielmehr ausdrücken wollte, ist, dass einen die furiose und verwirrende Geschichte wie eine erschöpfte und leere Hülle zurücklässt, die sich eben noch im Rausch einer wilden Nacht befunden hat.

Den Plot dieser völlig abstrusen und namenlosen Odyssee auf weniger als 320 Seiten wiederzugeben, ist wohl das, was man ein Ding der Unmöglichkeit nennt. Und genau darum geht es in dieser Geschichte; um Unmöglichkeiten. Nur so viel sei gesagt: Murakamis namenloser Protagonist, der 29-jährige Chef einer Werbeagentur im Tokyo der späten 70'er Jahre, bekommt die Pistole auf die Brust gesetzt; eine ominöse Organisation beauftragt ihn damit, ein bestimmtes und außergewöhnliches Schaf zu finden, das auf einem Bild zusehen ist, welches er - unwissenderweise - in einem Werbeprospekt veröffentlich hat - andernfalls droht die Organisation, die Agentur und seine ganze Existenz zu zerschlagen.

Nun handelt es sich nicht einfach nur um eine besondere oder seltene Gattung des Tiers, sondern vielmehr um ein völlig einzigartiges und magisches Schaf, das nicht nur von einem Menschen Besitz ergreifen kann, sondern wahrscheinlich sogar ein Interesse daran zu haben scheint, die Geschicke Japans und möglicherweise der ganzen Welt zu beeinflussen und ins Chaos zu stürzen. Das Foto, welches den Protagonisten überhaupt erst in diese augenscheinlich ausweglose Situation gebracht hat, wurde ihm von einem Jugendfreund zugesandt - das ist die einzige Spur.

Und so bleibt dem Helden und seiner Freundin, einem Ohrenmodel und Callgirl mit übersinnlichen Fähigkeiten, nichts anderes übrig, als aufzubrechen. Einziges Indiz ist und bleibt der Poststempel auf dem Brief des Freundes, der die Tragödie erst verursachte. Ihre Schnitzeljagd führt sie in die verlassene und kühle Einöde Japans, eine andere Welt, voller skurriler Charaktere und unglaublicher Ereignisse.

Murakamis metaphorische und erwartungsgemäß gutgeschriebene Geschichte beschäftigt sich, wie wohl beim japanischen Bestsellerautor üblich, mit den Themen: Verlust, Ordnung und Zeit. Und auch wenn sie mir zeitweise wirklich den Boden unter den Füßen weggerissen hat, so überzeugte mich dieser Steppenwolf im Schafspelz niemals so ganz. Alles ist verhältnismäßig stringent und im Stile eines Detektivromans gehalten (selbst der Protagonist liest immer und immer wieder in den "Abenteuern des Sherlock Holmes"), doch der Funke will einfach niemals so richtig überspringen. Was mir gefehlt hat, waren echte und wilde Emotionen, schließlich ist die Lage prekär und die Ereignisse mehr als außergewöhnlich - Murakamis Protagonist jedoch, fügt sich voller Trübsal und fast teilnahmslos in sein Schicksal, was dann eher den Eindruck eines Wochenendausflugs, als den, eines wirklichen Abenteuers erweckt.

Note: 3
  • Humor: 3
  • Anspruch: 2
  • Spannung: 3
  • Erotik: 3
  • Piratenfaktor: 4