Genre: Kinderbuch
Gebundene Ausgabe: 154 Seiten
Verlag: Emil Vollmer
Erscheinungstermin: um 1960
ISBN: 978-3-80-005508-1
Das weiße Kaninchen mit der Uhr in der Westentasche - kennt man ja irgendwie. Dem plumpst dann ein kleines Mädchen hinterher und alle finden sich in einer abgefahrenen Welt wieder, in der Kuchen, Flüssigkeiten und Pilze einen größer und kleiner machen, Raupen Pfeife rauchen und ein Satz Karten die Soldaten einer herrischen Königin darstellen. Willkommen in Alices Wunderland - "Wir sind alle verrückt hier." Aber hallo. Der nie bestätigte Drogenkonsum des Autors Charles Lutwidge Dodgson, besser bekannt unter seinem Pseudonym Lewis Carroll, kommt nicht von ungefähr. Eine wahrlich wunderliche Welt schafft der Mathematik-Tutor in seinem berühmtesten Werk. Dabei beginnt Alices Abenteuer recht kinderbuchklassisch auf einer Bank mit einer gelangweilten Schwester. Dass diese dann in eine Kaninchenhöhle fällt und weil sie etwas trinkt, Kuchen isst und Fächer hält klein, groß und wieder klein wird, passiert in Wunderländern eben.
Da schwimmt man dann auch in dem Teich seiner eigenen Tränen, verprügelt halb aus Versehen eine Eidechse, um sich dann von einer Raupe quittieren zu lassen, dass man 'Backe, backe Kuchen' wirklich nicht mehr aufsagen kann. Im Wunderland werfen Köche auch im hohen Bogen Töpfe nach Babys, die sich als kleine Schweine entpuppen und man trinkt Tee mit einem Märzhasen und einem Hutmacher, dessen Uhr zwei Tage nachgeht, obwohl sie wirklich mit der besten Butter eingeschmiert wurde.
In Alices Wunderland müssen die Zwei, Fünf und Sieben der Kartenarmee der Königin einen weißen Rosenstrauß rot malen, damit ihnen die Königin nicht gleich den Kopf abschlagen lässt. Zum Glück ist diese erst Mal mit dem Krocketspielen beschäftigt und damit, dass die Krocketschläger, diese gemeinen Flamingos, nicht immer abhauen, weil sie vielleicht gar keine allzu große Lust mehr haben, mit dem Kopf gegen die eingerollten Igel gedonnert zu werden.
Es landet aber auch eine Prise Ordnung in dem bunten Gewusel, denn wer die Törtchen gestohlen hat, ist nun wirklich eine außerordentlich wichtige Frage! Zum Glück erkennt Alice, dass das wichtigste Beweisstück der diesbezüglichen Gerichtsverhandlung überhaupt keinen Sinn ergibt, denn für die Königin bedeutet dies, dass "wir uns gar nicht erst zu bemühen [brauchen], ihn zu finden." Hallelujah, so sei es.
Und eigentlich wird auch gar keiner geköpft und ganz eigentlich träumt Alice nur und Träume können ja auch wirklich sehr verrückt sein - wie eben alle in "Alice im Wunderland".
Klassiker zu lesen ist immer eine heikle Geschichte: irgendwie lastet der Klassikerdruck doch auf den Geschmacksnerven der Leser und wehe dem, der Klassikern keine literarische Entzückung entgegenbringt! Alice im Wunderland ist wunderlich und fantasiereich, aber die zaghaft schönen, kleine Dinge, die Kinderherzen erstrahlen lassen, bleiben teilweise auf der Strecke: komisch, wenn immer nur Köpfe abgeschlagen werden. Dafür bleibt sprachlich gesehen niemand auf der Strecke und es kann wirklich keinem Übersetzer nachgetragen werden, an der Übertragung in die deutsche Sprache jämmerlich zu scheitern.
Besonders diejenigen, die Alice und dem weißen Kaninchen auf Englisch hinterplumpsenen, werden sich in einem sprachlichen Wunderland wiederfinden, das es so kein zweites Mal gibt. Wer Fantasie, schlechte und gute Sprachwitze sowie Absurdität eher gar nicht so gut findet, sollte vielleicht lieber die Finger von den Seiten der Geschichte des manchmal neunmalklugen Mädchens lassen oder sie wird einen belehren, dass gar nicht alle Klassiker so entzückend sind.
Note: 2
- Humor: 2
- Anspruch: 3
- Spannung: /
- Erotik: /
- Piratenfaktor: 2
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen