Dienstag, 21. August 2012

Christian Kracht - Faserland

Genre: Gegenwartsliteratur
Gebundene Ausgabe: 158 Seiten 
Verlag: dtv
Erscheinungsdatum: 7. Auflage Juni 2002
ISBN: 978-3423129824


Der Trip beginnt auf der Insel Sylt und geht quer durch Deutschland, über Hamburg, Frankfurt usw. bis nach Zürich. Auf dieser ziel- und planlosen Reise trifft der Held immer wieder alte Freunde und erfährt deshalb, gedanklich, eine Rückschau auf sein Leben und auch sonst durchlebt er einige Höhen und noch intensivere Tiefen. Dabei wird die Hauptperson, im zunehmenden Verlauf der Geschichte, immer mehr physisch und psychisch ein Wrack, was wohl zum Teil auch am Schlafmangel liegt.

Krachts Faserland gilt als der Auftakt zur Popliteratur. Mir ist allerdings nicht ganz klar was Popliteratur auszeichnet. Einige Parallelen konnte ich zu Leif Randt entdecken, denn beide Autoren benutzen zum Beispiel gerne die Wörter irgendwie, ziemlich und eigentlich. Der Grund, weshalb das Buch Faserland heißt, konnte ich leider nicht wirklich aufdecken. Meine Überlegungen dazu, erscheinen mir eher oberflächlich.
Die Narration wird von einem namenlosen, nihilistischen Protagonisten wiedergegeben. Der Namenlose ist etwas sadistisch, redet nicht sehr viel, denkt aber um so mehr. Dabei immer auf eine pessimistische Art, er nörgelt in Gedanken ständig über seine Umgebung. Desweiteren hat er Schwierigkeiten anderen Personen zuzuhören, da er immer wieder durch Gerüche oder dergleichen abgelenkt wird und in diesem Moment, an sein bisheriges Leben denkt. Auf seiner Reise trifft die Hauptfigur stetig auf den widerlichen Hedonismus, der sich zu dieser Zeit in Deutschland entfaltet und immer noch allgegenwärtig ist. Der hedonistische Lebensstil der anderen, ist dem Held überaus unangenehm, und er versucht dem zu entfliehen. Doch gelingt es ihm nicht, im Gegenteil, mit jedem Kapitel nehmen die Wirren des (seines) Lebens zu, und er fragt sich ob es denn überhaupt noch einen Sinn gibt. Zumal er sowieso ziemlich planlos durch die Gegend treibt, vielmehr mitgerissen wird. Dabei fragt man sich, ob der Namenlose einfach nur in einer Adoleszenzphase feststeckt, eine Midlife-Krise durchlebt, oder schlicht unter einer Depression leidet. Andererseits hat er einen überaus scharfsinnigen und kritischen Blick auf die Gesellschaft, obgleich ihn diese Gedankengänge womöglich seelisch zerstören.

Jene acht Kapitel, auf 158 Seiten, machen richtig Spaß. Was auch am hervorragenden Schreibstil liegt, der zum Teil auf verschrobener Art romantische Nuancen annimmt. Dennoch begibt man sich mit dem Protagonisten in eine Art Ritalin verseuchten Mainstream. Oberflächlich ist das Buch recht witzig, doch eigentlich voller Hass, dabei nicht selten äußerst poetisch und schonungslos.
Wenn man mal einen anderen gesellschaftskritischen Blickwinkel auf Deutschland ersucht, sollte man Krachts Faserland lesen. Irgendwie lässt das Buch, eigentlich ziemlich viel Raum für Spekulationen, besonders das Ende kann in vielerlei Hinsicht interpretiert werden.
Bedingungslos wunderbare Literatur.


Wenn ich dem Buch ein Musiktitel zuordnen sollte, würde ich “All Live But The Ending” von Circlesquare wählen, und nicht nur wegen den Lyrics. Der Song bauscht sich, genauso wie der Roman, zu einem Crescendo auf und endet dabei in Stille.



Note: 1,75
  • Humor: /
  • Anspruch: 2
  • Spannung: 2
  • Erotik: 2
  • Piratenfaktor: 1

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