Nun ging es wohlmöglich nicht jedem so, als er die Geschichte von Elli
und ihrem Hund Toto(schka), welche von einem Wirbelsturm aus dem Idyll
ihrer Heimat Kansas in ein verzaubertes Land getragen wurden, zum ersten
Mal hörte oder las. Es jedoch nun dabei zu belassen, von einem
Ost-Block-Plagiat des fast vierzig Jahre zuvor erschienenen Werks „Der
Zauberer von OZ“ von Lyman Frank Baum zu sprechen und das Ganze somit zu
den Akten zu legen, wäre doch eine Verhöhnung all der Kinder, welche
auf der anderen Seite der Welt mit den Abenteuern von Elli, Toto,
Scheuch, dem eisernen Holzfäller und dem feigen Löwen aufgewachsen sind,
da die Geschichte für sie – wie für mich – eine ganz eigene Dynamik,
eine eigene Bedeutung hatte. Das ist es doch, worum es bei Literatur
geht, oder etwa nicht?
Im Folgenden gehe ich davon aus, dass dem
Leser die Ursprungsgeschichte Baums bekannt ist bzw. sein sollte.
Wolkow erzählt wie sein Gewährsmann natürlich von der Odyssee Ellis,
welche, gestrandet im „Zauberland“ oder „Goodwin’s Land“ (wie es bei
Wolkow heißt), nach einem Weg zurück in die weite Steppe Kansas‘ zu
ihren Eltern sucht. Anders als bei Baum erhält Elli den Auftrag, drei
Geschöpfen ihre sehnlichsten Wünsche zu erfüllen, als Bedingung, um
überhaupt nach Hause gelangen zu können. An einigen Stellen erweist sich
„Goodwin’s Land“ als deutlich düsterer, vergleicht man es mit dem Lande
Oz; am Anfang der Geschichte wird beispielsweise erwähnt, dass der
Sturm von der bösen Hexe Gingema heraufbeschworen wurde, um alle
Menschen zu töten. Außerdem sehen sich unsere Helden (noch zu dritt!)
kurz nach Beginn ihrer Reise mit einem Menschenfresser konfrontiert,
dessen dunklen Schloss sie beim Durchqueren des Waldes begegnen. Der
Menschenfresser entführt Elli kurzerhand, wird jedoch bei Ellis
Befreiung von den Gefährten getötet! Es geht von Zeit zu Zeit deutlich
kompromissloser zu, als noch in Baums OZ. Die Geschichte wurde nicht
identisch nacherzählt, sie wurde an vielen Stellen verändert und durch
Kapitel erweitert bzw. verkürzt.
Nichtsdestotrotz sei auf das
Nachwort Wolkows verwiesen, indem er sich dazu aufschwingt, aus der
Geschichte über das Zauberland eine Art Kapitalismus-Allegorie zu
erschaffen. So sah sich der Zauberer der Smaragdenstadt, James Goodwin
(man beachte auch, dass ein amerikanisch-klingender Name gewählt wurde)
auch entgegen seiner eigenen Natur dazu gezwungen, die Einwohner des
Zauberlandes zu belügen und zu betrügen, um seine eigene Position nicht
zu gefährden. „
Das Wunderland, das sich Baum ausgedacht hat, und die
Heimat Goodwins und überhaupt die ganze Welt, in der die Helden der
Baumschen Märchen leben und handeln, haben viel mit der kapitalistischen
Welt gemeinsam, die dem Schriftsteller gut bekannt war und in der der
Reichtum einer Minderheit auf Ausbeutung der Mehrheit und Betrug
beruht.“, wie Wolkow es in seinem Nachwort formuliert. Selbst wenn einem
ein solches Nachwort in einem Kinderbuch säuerlich nach Soljanka
aufstößt, ist es jedoch nicht in der Lage dazu, die Bedeutung dieses
Buches zu schmälern. Die Eigendynamik, die die Geschichte in den Köpfen
der Kinder entfaltet, ist einer politischen Ideologie so fern, wie es
bei Star Wars, dem Herrn der Ringe oder Alice im Wunderland der Fall
wäre. Sicherlich lassen sich ideologische Aspekte hereinlesen, zwingend
erforderlich ist dies jedoch nicht, und das tatsächlich eine
indoktrinierende Wirkung von statten geht, halte ich für mehr als
zweifelhaft. Eine schöne Geschichte über Werte und Freundschaft – nicht
mehr und nicht weniger.
Wolkows Roman wurde zwar erstmals
1939 veröffentlicht, seinen waren Zauber erlangte er wohlmöglich jedoch
erst mit den Illustrationen Leonid Wladimirskis, welche die späteren
Ausgaben (ab der Neuauflage im Jahre 1959) schmückten.
Note: 2,0
Ich bin mit Wolkow groß geworden, hinter dem eisernen Vorhang. Als Kind hab ich noch keine Ahnung von den politischen Reiberein gehabt. Es war einfach eine tolle Geschichte, die. Ich schon damals gepackt hatte. Für mich war es mein erstes Fantasybuch und ich bin dem Genre bis heute treu geblieben. Ich hab alle damals verfügbaren Teile gelsen. Zu kaufen bekam man sie ja nicht, aber ich hatte einen Freund, der hatte "Westverwandte" und die haben ihm die Wolkow Bücher mitgebracht. Man war ich stolz sie lesen zu dürfen!
AntwortenLöschenSchön dass ihr das Buch rausgekramt habt.
Liebe Grüsse
Das ich dieses Buch nochmal auf einem Blog sehe!
AntwortenLöschenIch bin begeistert ;) Das Buch steht seit Jahren bei uns im Bücherschrank zusammen mit allen Fortsetzungen und ich habe das Buch als Kind (nicht so lange her) alle paar Wochen gelesen.
Allein schon deswegen weil ich von der Familie nur Elli genannt werde.
Der Piratenfaktor gefällt mir übrigens super, dass ist nämlich das was ich in meinen Rezensionen nie erklären konnte. Wieso zum Beispiel ein Buch mit vielen positiven Punkten eine nicht so gute Bewertung bekommt und andersrum.
Liebe Grüße
Elisa (: