Genre: Roman
Gebundene Ausgabe: 176
Seiten
Verlag: Diogenes Verlag
Erscheinungstermin: Oktober 2013
ISBN: 978-3-257-06874-0
Doppelbödigkeit in Perfektion
Serena
Frome ist Anfang 20
als der alternde Tony Canning in ihr Leben tritt und sie beim MI5
- dem britischen
Inlandsgeheimdienst - in Lohn und Brot bringt. Typischerweise werden
auf diese Art - durch das traditionelle "Hand
auflegen" wie Ian
McEwan ganz bildlich und fein ironisch beschreibt, was schon in der
Antike als Emanzipation bezeichnet wurde - junge Männer
protegiert. Serena jedoch ist jung, bildhübsch, klug und eine
passionierte Leserin, weshalb sie innerhalb des Geheimdienstes für
ein Projekt namens Honig
ausgewählt wird, das
Autoren finanziell unterstützen soll, deren politische Gesinnung der
britischen
Regierung angenehm ist. Schließlich befindet sich die Welt gerade
mitten im Kalten Krieg.
Serena wird auf T. H.
Haley, einen jungen Autor angesetzt, der im Brotberuf an einer
Universität lehrt und bereits einige Kurzgeschichten veröffentlicht
hat. Seine Kurzgeschichten gefallen Serena genauso gut wie der junge
Mann schließlich selbst. So entspinnt sich zwischen den beiden ein
Verhältnis, das nicht nur von Seiten Serenas durch Täuschungen und
Geheimnisse geprägt ist.
Täuschungsmanöver
beherrscht auch Ian
McEwan meisterhaft. Er
spielt mit allem, was er zur Verfügung hat: dem Genre,
den Figuren,
den Ebenen
und vor
allem mit dem Leser.
Anfänglich ob der gemächlichen
Entwicklung des "Agentenromans"
etwas ratlos, kann man
dennoch Gefallen an der präzisen
Beschreibung der Verhältnisse während dieser doch recht
angespannten
Zeit innerhalb Europa und der Welt finden. Mit feiner Ironie zeigt
McEwan sowohl das gesellschaftliche Leben in den anfänglichen
1970er Jahren in England als auch die Maschinerie des
Literaturbetriebes. Er erzählt Geschichten innerhalb der Geschichte
und verwebt darin auch noch die Realität. So wird eine raffinierte
Doppelbödigkeit erschaffen.
An Genregrenzen hält
er sich nicht - wozu auch? Erfährt der Roman durch die
Nichteinhaltung dieser Grenzen doch eine wunderbare
Unberechenbarkeit.
Bis zuletzt, ach was,
bis zu diesem Zeitpunkt, in dem ich versuche, meine Gedanken zu
diesem so perfekt konstruierten Roman, dem man die Perfektion in
keinster Weise anmerkt, in Worte zu fassen, bin ich mir nicht sicher,
wer der Erfinder Serenas nun tatsächlich ist. Natürlich kann man
sagen, McEwan wer sonst? Doch genauso gut denkbar ist es, dass Tom,
der unwissentlich vom MI5 finanzierte Autor, der Schöpfer Serenas
und ihrer Geschichte ist. Die Fiktion in der Fiktion oder der Wald
den man vor Bäumen nicht sieht?
Letztendlich ist auch das
gleichgültig bei einem Roman wie Honig,
der so klug,
so durchdacht
und trotzdem so überraschend
und unterhaltsam
auftritt.
Honig
war mein erster McEwan,
doch sicherlich nicht mein letzter - ganz gleich, welchem nicht
eingehaltenen Genre er angehören mag.
Ein wunderbares
Weihnachtsgeschenk für alle Ian McEwan Fans und andere Leser, die
Gefallen am Spiel mit der Doppelbödigkeit des Lebens und Lesens
haben - Fans von Agententhrillern à la James Bond allerdings werden
keine Freude an diesem Regaljuwel haben.
Note: 1,4
•
Humor:1,5
•
Anspruch: 1,0
•
Spannung: 2,0
•
Erotik: /
•
Piratenfaktor: 1
Hey! =)
AntwortenLöschenHabe es leider selbst noch nicht gelesen, aber klingt wirklich nach einem super Buch! War vor kurzem bei Ian McEwans Lesung in Berlin, als er das Buch vorgestellt hat. Und da stand für mich sofort fest, dass es auf die Leseliste kommt ;)
LG
Cat
Schön - es ist wirklich ziemlich raffiniert. Dann wünsche ich viel Spaß und beneide Dich ein wenig wegen der Lesung, die ich verpasst habe.
AntwortenLöschenLG,
Bri