Genre: Roman, Gegenwartsliteratur
Gebundene Ausgabe: 687 Seiten
Verlag: Suhrkamp
Erscheinungsdatum: März 2013
ISBN: 978-3-518-46425-0
Während wir schon wieder mit festen Schritten auf das Jahr 2014 zu gehen, scheint es in einem Land der Welt auf ewig 1984 zu bleiben: Nordkorea - nur tatsächlich eher im orwellschen Sinne als unserem Verständnis der Achtziger entsprechend, denn den Menschen dort scheint es an allem zu fehlen: In maroden Wohnblocks, ohne fließend Wasser und Strom, leben die Bürger der Demokratischen Volksrepublik Korea in einer Welt zwischen Hunger, Elend, Gehorsam und Propaganda, abgeschottet vom Rest der Erde, regiert vom geliebten Führer. Was für uns wie eine sozialistisch-diktatorische Dystopie anmutet, ist für die Bürger Nordkoreas bittere Realität. Hier steht die Zeit still und der Zusammenbruch des Ostblocks und vieler anderer kommunistischer Staaten hat die politische Führung in Pjöngjang nur noch paranoider, noch rigoroser gemacht und trieb sie nur noch weiter in die Isolation, während die Bevölkerung mit Lügen statt mit Lebensmitteln versorgt wurde. Wenn solch ein politisches System nun über so viele Jahre Bestand hat, dann wachsen ganze Generationen wie unter der Käseglocke der Propaganda auf; manche Lügen sind so alt, dass sie scheinbar zu Wahrheiten geworden sind. Wie sollten die Menschen denn auch von anderem erfahren in einer Welt ohne freie Medien, Internet oder Kontakte nach außen? Hier ist nur das wahr, was die Partei und die Familie der Kims auch für wahr befinden.
In diese Welt wird Pak Jun Do geboren. Als vermeintlicher Sohn eines Waisenhaus-Direktors wächst er ebenso grausam und spartanisch wie die anderen Kinder im Haus "Frohe Zukunft" auf: Hungersnöte, Kälte und gefährliche Kinderarbeit stehen an der Tagesordnung. Ausgestattet mit dem Namen eines Revolutionshelden, was eher Stigma als Ehre ist, stehen die elternlosen Kinder an der Schwelle zur Ungewissheit und landen oft, wenn sie überhaupt irgendwo landen und nicht schon vorher sterben, beim Militär - so auch Jun Do. In der vollkommenen Dunkelheit der Tunnelsysteme im Grenzgebiet zwischen Nord- und Südkorea wird er ausgebildet und auf den Ernstfall, die Invasion der imperialistischen Aggressoren, vorbereitet, bis eines Tages ein hochrangiger Militär Jun Dos Einheit inspiziert und einen Spezialauftrag für den Jungen hat, den alle für einen Waisen halten. Jun Do stolpert von Zufall zu Zufall und wird doch immer tiefer in das dunkle Herz Nordkoreas gezogen, bis der Niemand aus der Provinz schließlich dem geliebten Führer, Kim Jong-il, selbst gegenübersteht. Doch der abenteuerliche Verlauf seines Lebens hat Jun Do bereits von einer Wahrheit jenseits aller Propaganda überzeugt. Es entbrennt ein atemraubender Showdown um Identität, Freiheit und die große Liebe.
"Das geraubte Leben des Waisen Jun Do" ist kein Sachbuch und sollte auch nicht so gelesen werden! Jegliche Schilderungen über dieses abgeschottete Land, und seien sie auch noch so gut recherchiert, bleiben natürlich Näherungswerte an der Grenze zum Klischee. Und auch der Autor selbst sagt über sein Buch, dass er das Grausamste eigentlich habe aussparen wollen. Trotzdem lassen sich natürlich düstere Erkenntnisse über die Volksrepublik gewinnen, die einen immer wieder zu der Frage führen, wie es möglich ist, dass man sich nicht nur denselben Planeten, sondern auch dieselbe Zeit mit diesen Menschen am anderen Ende der Welt teilt; während wir mit ausdruckslosen Mienen und sattgefressenen Bäuchen die Tagesschau gucken, leben die Menschen in Nordkorea in einer Art stalinistischen Themenpark der 30'er-Jahre. Und ja, sicherlich haben auch die Drohgebärden Kim Jong-uns und das Wiederaufflammen des Konfliktes auf der koreanischen Halbinsel Anfang diesen Jahres das Pulitzer-Preis-Komitee in ihrem Anliegen bestärkt, den diesjährigen Preis in der Kategorie "Roman" an Adam Johnsons "Das geraubte Leben des Waisen Jun Do" zu vergeben. Es ist immerhin Zeitgeist, dass Kulturpreise für politische Statements instrumentalisiert werden.
Und doch: Johnsons Roman steht völlig zurecht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, denn "Das geraubte Leben des Waisen Jun Do" ist einfach ein sehr gutes Buch, das auch ohne die politische Brisanz und gehobene Zeigefinger funktionieren würde. Fintenreich, mitreißend und eindringlich wird von den fast absurden Schicksalsschlägen erzählt, die dem Protagonisten in seinem Heimatland wiederfahren. Johnson erzählt dabei die Geschichte von innen und blickt nicht von oben auf die Menschen in Nordkorea herab. Es geht um Individualismus und um die Frage nach der eigenen Identität in einer Welt, in der diese stets von außen bestimmt wird. Man lacht, man weint und am Ende ist man froh, dieses unterhaltsame und herausragende Buch gelesen zu haben!
In diese Welt wird Pak Jun Do geboren. Als vermeintlicher Sohn eines Waisenhaus-Direktors wächst er ebenso grausam und spartanisch wie die anderen Kinder im Haus "Frohe Zukunft" auf: Hungersnöte, Kälte und gefährliche Kinderarbeit stehen an der Tagesordnung. Ausgestattet mit dem Namen eines Revolutionshelden, was eher Stigma als Ehre ist, stehen die elternlosen Kinder an der Schwelle zur Ungewissheit und landen oft, wenn sie überhaupt irgendwo landen und nicht schon vorher sterben, beim Militär - so auch Jun Do. In der vollkommenen Dunkelheit der Tunnelsysteme im Grenzgebiet zwischen Nord- und Südkorea wird er ausgebildet und auf den Ernstfall, die Invasion der imperialistischen Aggressoren, vorbereitet, bis eines Tages ein hochrangiger Militär Jun Dos Einheit inspiziert und einen Spezialauftrag für den Jungen hat, den alle für einen Waisen halten. Jun Do stolpert von Zufall zu Zufall und wird doch immer tiefer in das dunkle Herz Nordkoreas gezogen, bis der Niemand aus der Provinz schließlich dem geliebten Führer, Kim Jong-il, selbst gegenübersteht. Doch der abenteuerliche Verlauf seines Lebens hat Jun Do bereits von einer Wahrheit jenseits aller Propaganda überzeugt. Es entbrennt ein atemraubender Showdown um Identität, Freiheit und die große Liebe.
"Das geraubte Leben des Waisen Jun Do" ist kein Sachbuch und sollte auch nicht so gelesen werden! Jegliche Schilderungen über dieses abgeschottete Land, und seien sie auch noch so gut recherchiert, bleiben natürlich Näherungswerte an der Grenze zum Klischee. Und auch der Autor selbst sagt über sein Buch, dass er das Grausamste eigentlich habe aussparen wollen. Trotzdem lassen sich natürlich düstere Erkenntnisse über die Volksrepublik gewinnen, die einen immer wieder zu der Frage führen, wie es möglich ist, dass man sich nicht nur denselben Planeten, sondern auch dieselbe Zeit mit diesen Menschen am anderen Ende der Welt teilt; während wir mit ausdruckslosen Mienen und sattgefressenen Bäuchen die Tagesschau gucken, leben die Menschen in Nordkorea in einer Art stalinistischen Themenpark der 30'er-Jahre. Und ja, sicherlich haben auch die Drohgebärden Kim Jong-uns und das Wiederaufflammen des Konfliktes auf der koreanischen Halbinsel Anfang diesen Jahres das Pulitzer-Preis-Komitee in ihrem Anliegen bestärkt, den diesjährigen Preis in der Kategorie "Roman" an Adam Johnsons "Das geraubte Leben des Waisen Jun Do" zu vergeben. Es ist immerhin Zeitgeist, dass Kulturpreise für politische Statements instrumentalisiert werden.
Und doch: Johnsons Roman steht völlig zurecht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, denn "Das geraubte Leben des Waisen Jun Do" ist einfach ein sehr gutes Buch, das auch ohne die politische Brisanz und gehobene Zeigefinger funktionieren würde. Fintenreich, mitreißend und eindringlich wird von den fast absurden Schicksalsschlägen erzählt, die dem Protagonisten in seinem Heimatland wiederfahren. Johnson erzählt dabei die Geschichte von innen und blickt nicht von oben auf die Menschen in Nordkorea herab. Es geht um Individualismus und um die Frage nach der eigenen Identität in einer Welt, in der diese stets von außen bestimmt wird. Man lacht, man weint und am Ende ist man froh, dieses unterhaltsame und herausragende Buch gelesen zu haben!
Note: 1,4
- Humor: 2
- Anspruch: 1
- Spannung: 1
- Erotik: 2
- Piratenfaktor: 1
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen