Broschur im Schuber: 3 Bände, 782 Seiten
Verlag: Antje Kunstmann Verlag
Erscheinungstermin:10. Januar 2011
ISBN: 978-3-88897-700-8
"... Vielleicht bestehen die Dinge ja nicht aus Strings, sondern
aus Geschichten, einer Unzahl winziger, vibrierender Geschichten, einst
waren sie alle Teil einer großen, gigantischen Supergeschichte, bloß
dass die in eine Zillion verschiedener Teile zerbrochen ist, deswegen
ergibt keine Geschichte für sich einen Sinn, und deswegen musst du in
deinem Leben versuchen, sie wieder zusammenzuweben, meine Geschichte in
deine Geschichte, unsere Geschichten in die all der anderen Menschen,
die wir kennen, bis du was hast, was für Gott oder sonst wen wie ein
Buchstabe aussieht, oder sogar wie ein ganzes Wort ..." (Ghostland, Seite 773)
Genau das ist es, was Paul Murray in Skippy stirbt!
macht: er webt Geschichten zu einer einzigen Supergeschichte. Ob diese
für irgendwen einen Buchstaben oder Wort ergibt, das kommt darauf an,
wie weit man sich als Leser darauf einlässt. Ich habe mich darauf
eingelassen - zugegeben nach anfänglichen Zweifeln - und für mich ergab
das Ganze mehr als nur einen Buchstaben.
Bevölkert werden die drei
Bände - Hopeland, Heartland, Ghostland - von den unterschiedlichsten
Personen. Hier findet sich alles. Vom ehemaligen Seabrook Rugbychampion,
der durch einen Unfall seiner Karriere beraubt, jetzt in seiner alten
Schule Lehrer und Schwimmtrainer ist, bis zu Ruprecht van Doren,
Skippys Zimmergenossen und übergewichtigen Freund, Mathematikass,
genial, nach fremdem Leben im All suchend. Eins haben alle gemeinsam:
Sprachlosigkeit und die damit einhergehende Unfähigkeit zur tiefer
gehenden Kommunikation. Von pubertierenden Jungs kann man eine solche
Fähigkeit nicht verlangen, sie sind zu sehr mit sich selbst und den
Veränderungen in ihrem Umfeld beschäftigt. Noch dazu, wenn sie damit
durch die offensichtlich komplett überforderten, nur vermeintlich
erwachsenen Menschen um sie herum alleine gelassen werden. Ohne Ausnahme
hat hier jeder sein Päckchen zu tragen.
So bunt das
Personal, so vielfältig die Themen, die in diese Supergeschichte
eingewoben werden. Die Komplexität wächst mit den Geschichten, wie es
eben so ist. Nichts ist linear, alles ist miteinander verbunden.
Aber
hoppla, kommt mir das alles nicht bekannt vor? Was macht dieser Murray
da eigentlich? Manche Dialoge sind so locker und leicht und dabei genau
ausformuliert, dass sie als Schablone für viele alltägliche Gespräche
herhalten könnten und manchmal bleibt mir dabei das Lachen im Halse
stecken, weil ich mal wieder erkenne, wie trostlos das alles eigentlich
ist. Trostlos aber nur dann, wenn man nicht die Hoffnung hat, dass
hinter all den Äußerlichkeiten und Fassaden mehr stecken kann, dass wir
einfach genauer hinsehen und dichter dran bleiben müssen, dass wir alle
eins sind, dass unsere Geschichten miteinander verwoben sind, ob wir
wollen oder nicht. Und diese Hoffnung gibt uns Murray, nicht wie
erwartet in Hopeland, sondern erst in Ghostland, als Skippy längst
gestorben und trotzdem noch präsent ist.
Was die Aufmachung
angeht: die drei wunderschön im Retrolook gestalteten Bände im stabilen
Schuber machen sich gut in jedem Regal. Dafür ein dickes Lob an den
Kunstmann Verlag, der einmal mehr andere Wege beschritten hat und mit
dem beigelegten Lesezeichen, das ein Who is Who der wichtigsten Personen
der Supergeschichte ist, das Tüpfelchen mal wieder auf das I gesetzt
hat.
Unbedingte Leseempfehlung, an alle, die gut erzählte
Geschichten mögen und die genügend Empathie besitzen, das anstrengende
Leben Pubertierender ertragen zu können.
Note: 1,7
- Humor: 1,5
- Anspruch: 1,5
- Spannung: 1,5
- Erotik: 3,0
- Piratenfaktor: 1,0
AntwortenLöschenVielen Dank für deinen schönen Bericht! Obwohl eigentlich sollte ich dir böse sein...ich will diese Geschichte lesen! Meine Wunschliste platzt aus allen Nähten.
LG