Dienstag, 10. Juli 2012

Robert Williams - Luke und Jon

Genre: Coming-of-Age, Gegenwartsliteratur
Taschenbuch: 192 Seiten 
Verlag: Berliner Taschenbuch Verlag
Erscheinungsdatum: 06. November 2010
ISBN: 978-3833307034

Luke Redridge ist dreizehn und lebt mit seinen Eltern ein normales und beschauliches Leben im grauen und regnerischen Vorstadt-England unserer Zeit. Sicher, Luke ist nicht unbedingt ein Siegertyp in der Schule, aber er ist ein talentierter Maler und eckt kaum an, was ja auch schon was wert ist, in der rauen Welt der Schulhöfe. Sein Vater ist Spielzeugmacher und seine Mutter eine liebevolle Idealistin mit Stimmungsschwankungen. Das Leben geht in geregelten Bahnen.

All das ändert sich jedoch abrubt, als Lukes Mutter, bei der inzwischen eine bipolare Störung diagnostiziert wurde, bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt. Tief getroffen ziehen sich Vater und Sohn in ihre eigene Welt zurück, jeder für sich. Nach kurzer Zeit häufen sich bereits die unbezahlten Rechnungen. Am finanziellen Abgrund angekommen, bleibt Lukes Vater nichts anderes übrig, als das Haus der Familie zu verkaufen und sich mit dem Wenigen, das ihnen noch bleibt, ein neues Leben aufzubauen, irgendwo anders, irgendwo, wo es billiger ist.

Und so landen die Beiden in Duerdale, einem nebligen Kaff in der englischen Provinz. Das wenige Geld reicht hier jedoch, zwischen schroffen Hügeln und Mooren, für ein verwahrlostes und einsames Haus auf einem Berg, nahe der Stadt. Träge und beinahe gleichgültig fügen sich die beiden in ihr Schicksal und das neue Leben, das sie nie wollten - immer noch ohnmächtig ob des Verlustes ihrer Mutter und Ehefrau. Luke zieht sich in seine Bilder zurück, deren Motive er in der kargen Umgebung des Hauses findet, Lukes Vater Gerald bestreitet mühsam den Lebensunterhalt der beiden, indem er Holzspielzeug in seiner Werkstatt anfertigt - seine ständigen Begleiter bleiben jedoch eine Flasche Whiskey und die geistige Abwesenheit eines Trauernden.

Das triste Leben der beiden Außenseiter wäre vermutlich ewig so weiter gelaufen, wenn nicht, aus dem Nichts, auf einmal ein dürrer und merkwürdig gekleideter Junge vor der Tür gestanden hätte, der nervös drauflos plappert. Jon, der zittrige Gast, entpuppt sich als Nachbarsjunge, dessen Schicksal dem von Vater und Sohn nicht so fremd ist. Luke und Jon werden zu Gefährten, und als die Sommerferien enden und die Schule beginnt, schweißt der Alltag aus Hänseleien und Ausgrenzungen die Freunde immer mehr zusammen. Und gemeinsam finden sogar alle drei Sonderlinge, auch durch die Hilfe eines riesigen Holzpferdes, mühsam ihren Weg zurück ins Leben.

Wie bei vielen seiner Zeitgenossen neigen die Menschen auch bei Robert Williams dazu, laut und apathisch "Salinger" zu brüllen, handelt seine Geschichte "Luke und Jon" doch von den Empfindungen eines Teenagers, ohne dabei etwas mit Vampiren zu tun zu haben. Anders als beim Genre-Epos "Der Fänger im Roggen" jedoch geht es hier nicht nur um das Erwachsenwerden in einer kalten und unverständlichen Welt, sondern vielmehr um den Umgang mit Verlust, Tod und einem Weg aus der Trauer. Was tun wir, wenn die Welt auf einmal und ganz plötzlich anhält, während sie sich für alle anderen weiter zu drehen scheint? Dieser Frage nähert sich Williams behutsam und klug in "Luke und Jon" an, ohne, dass er dabei pathetisch oder platt wird.

Überhaupt: Luke Redridge ist kein Holden Caulfield. Beim Lesen dieses herrlichen Buches musste ich mich vielmehr immer wieder daran erinnern, dass der Protagonist erst dreizehn ist, denn seine Gedanken wirken auf mich wie die, eines Erwachsenen: Sie sind nicht rebellisch und besonders impulsiv, sondern hilflos und aufrichtig ob der Tragik seiner und unserer Welt, die sich trotz allem immer weiter drehen muss.

Ein ruhiges, ein vorsichtiges und ungeheuer ehrliches Buch über Verlust, Zusammenhalt, Freundschaft und ja, über das Erwachsenwerden. Lesenswert!

Note: 2
  • Humor: /
  • Anspruch: 2
  • Spannung: 3
  • Erotik: /
  • Piratenfaktor: 1 

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