Sonntag, 15. Juli 2012

Carlos Ruiz Zafón - Der Schatten des Windes

Genre: Gegenwartsliteratur, Kriminalroman 
Taschenbuch: 562 Seiten 
Verlag: Suhrkamp/Insel
Erscheinungsdatum: 29. August 2005
ISBN: 978-3-518-45800-6

Daniel Sempere wächst als Sohn eines Antiquars im düsteren und tristen Barcelona der Franco-Ära auf, das von den Schatten der Vergangenheit und der Gegenwart beherrscht wird. Während die kleine Buchhandlung des Vaters kaum genügend abwirft, um die Beiden am Leben zu erhalten, verblassen langsam die Erinnerungen an Daniels Mutter, die der Cholera erlag, als er noch ein kleiner Junge war. Es ist ein karges Leben, doch beide arrangieren sich mit dem, was sie haben.

Eines frühen Morgens begeben sich Vater und Sohn auf einen Ausflug durch die noch dunkle Stadt. Es ist der Tag, an dem der zehnjährige Daniel in die Welt des "Friedhofs der vergessenen Bücher" eingeführt wird. Hinter diesem, zugegebenermaßen etwas plakativen Namen verbergen sich die labyrinthhaften Räumlichkeiten einer uralten Gesellschaft von Antiquaren, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Bücher zu bewahren, deren Fortbestand gefährdet ist. Es ist Ritus, dass jeder, der den Friedhof zum ersten Mal betritt, ein Buch aus den dunklen und geheimnisvollen Regalen auswählt, um es sein Leben lang zu schützen, bis es seinen Weg zurückfindet. Etwas unbeholfen streift Daniel durch die düstere Szenerie und entscheidet sich schließlich für "Der Schatten des Windes", den Roman eines gewissen Julián Carax.

Gefesselt und begeistert von "Der Schatten des Windes", versucht der Junge mehr über den Autoren in Erfahrung zu bringen, und muss doch schnell feststellen, dass dies alles andere als einfach ist. Der Autor ist verschwunden, und mit ihm die meisten seiner Bücher. Noch dazu häufen sich Gerüchte, das irgendjemand die letzten Exemplare von Carax-Romanen aufkauft, um sie zu vernichten.

Als Daniel eines Nachts am Fenster der spartanischen Wohnung über der Buchhandlung steht und in die Straßen seiner Heimatstadt hinausblickt, bemerkt er einen Mann auf der anderen Straßenseite, der rauchend, in geheimnisvolle Schatten gehüllt, auch ihn beobachtet. Die Szenerie erscheint dem Jungen merkwürdig vertraut, ist sie doch fast deckungsgleich mit einer der Passagen aus "Der Schatten des Windes".

Während Daniel älter wird, dringt immer mehr Vergangenheit ans Licht und die Grenzen zwischen dem Leben eines Daniel Sempere und dem eines Julián Carax scheinen allmählich immer mehr zu verschwimmen.

Mit der "Schatten des Windes" hat der spanische Bestseller-Gigant Carlos Ruiz Záfon seinerzeit nicht nur den Sprung von der Jugendliteratur in die ebenso mystische und düstere Welt der vermeintlichen Erwachsenen geschafft, sondern gleichsam den erfolgreichsten spanischsprachigen Roman nach "Don Quijote" geschrieben. Nun wissen wir, dass nicht jeder Kassenschlager solcherlei überdimensionierter Lob-Arien auch verdient (Liebe Grüße an Stephenie Meyer und E.L. James), doch hier ist dies mehr als nur gerechtfertig. Ein großartiges Buch voller Tragik, Romantik, Mystik und Spannung, dem es zusätzlich nie an erzählerischem Witz, sowie der nötigen Ernsthaftigkeit mangelt, denn neben der ohnehin schon packenden Handlung um den jungen Sempere nähert sich Ruiz Zafón einer fast vergessenen Epoche der jüngeren spanischen Geschichte an, deren Aufarbeitung nicht immer einfach ist. Aufrichtig und unprätentiös erzählt er von einer Ära des Terrors, des Verdrängens und der Unsicherheit, die nach dem Spanischen Bürgerkrieg und während der Diktatur Francos herrschte. 

"Der Schatten des Windes" ist der erste Roman, der als Quadrologie angelegten Saga um den "Friedhof der vergessenen Bücher" ("Das Spiel des Engels" (2008), "Der Gefangene des Himmels" (2012)), was dem Alleinstellungsmerkmal des Romans jedoch keinen Abbruch tut. Ruiz Zafón setzt in diesem Meisterwerk der Gegenwartsliteratur nicht nur seiner geliebten Heimatstadt Barcelona ein literarisches, wenn auch düsteres und verzaubertes Denkmal, sondern auch sich selbst. Ein fantastisches Buch, das nahezu alles kann: Es vermag Krankheiten zu heilen, Tote wieder zum Leben zu erwecken, aber vor allem; uns ein herausragendes Lesevergnügen zu bereiten.

Note: 1,4
  • Humor: 2
  • Anspruch: 1
  • Spannung: 1
  • Erotik: 2
  • Piratenfaktor: 1 
       

1 Kommentar:

  1. Das Buch habe ich schon so lange im Kopf, bin nie dazu gekommen, es zu lesen...Aber Deine Rezi katapultiert es auf jeden Fall wieder weiter nach vorne:)

    Wir starten auch gerade einen Bücherblog und freuen uns riesig über Kommentare und Leser...
    http://buchlabyrinth.blogspot.de/

    ;) LG

    AntwortenLöschen